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Jung in der DDR
Ausstellung aus Brandenburg/Havel im Potsdamer Landtag
Man stelle sich vor, in 30 Jahren steht ein heute 20-Jähriger in einer Ausstellung, die sich zur Aufgabe gestellt hat, seine Jugendzeit zu illustrieren. Als erstes begegnet er einem Riesenporträt von Angela Merkel. Dann ein paar Fahnen, sagen wir von SPD und Grünen. Dann steht da noch das FDP-Parteiprogramm. Es folgen ein paar besonders dämliche Zitate aus Reden von Politikern. Etwas weiter hinten gibt es Bilder von deutschen Luftangriffen auf Belgrad und von der Atomkatastrophe in Fukushima.
Daneben steht eine Dokumentation über die von einem deutschen Offizier veranlasste Tötung von 140 afghanischen Menschen in jener schauderhaften Nacht bei Kundus. Der Betrachter, er ist dann ja 50 Jahre alt, steht zwischen alldem und denkt: »Das soll meine Jugend gewesen sein?«
Zugegeben: Etwas besser ist sie in der Tat, die Ausstellung »Jugend in der DDR«, die seit Dienstag im Potsdamer Landtag zu besichtigen ist. Das Stadtmuseum Brandenburg/Havel hat sie gemeinsam mit Schülern erarbeitet. Doch zu mehr Vielseitigkeit haben sich die Macher der Ausstellung erst durchringen müssen. »Wir haben uns blaue Flecken geholt«, sagte Projektbetreuerin Gudrun Bauer und meinte damit nicht die blaue FDJ-Fahne, die natürlich in der Ausstellung prangt, weil sie dort auch hingehört.
Zunächst habe man »Jugend in der DDR« einzig unter dem Aspekt von Ministerium für Staatssicherheit, Bedrückung, Gängelei und Bevormundung wahrgenommen. Bauer berichtete von einer jungen Frau, die mit 25 Jahren im Gefängnis starb, weil sie Flugblätter verteilt habe, in denen sie für die Freiheit eintrat. Und sie verwies auf ein Dokument, in dem Staatsorgane einen »Punk« definierten.
Darauf wollte man dann aber lieber doch nicht beschränken, sagte die Betreuerin: »Wir mussten von der Staatssicherheit wegkommen.« Die Ausstellung thematisiert auch Arbeit, Schule, Berufsausbildung, Sport und Freizeit. Es entsteht ein buntes Bild. Zur »Jugend in der DDR«, in diesem Fall in Brandenburg an der Havel, gehörte beispielsweise auch Birgit Fischer, eine der erfolgreichsten Sportlerinnen der Welt. Ihr Olympia-Paddel ist Bestandteil der Schau. Dass es in der Stadt auch viele Ausländer gab, dass Kubaner, Vietnamesen, Angolaner in den großen Betrieben lernten und arbeiteten, erfährt der Betrachter. Und - dieser Aspekt hebt die Ausstellung mustergültig heraus - es wird nicht verschwiegen, dass der Westen in jenen Jahren keineswegs so makellos war, wie er sich gerne darstellt. Der Vietnamkrieg und die DDR-Solidarität mit dem vietnamesischen Volk, aber auch mit den um ihre Bürgerrechte kämpfenden Schwarzen in den USA waren wichtige Begleiterscheinungen einer »Jugend in der DDR«, und sie kommen in der Ausstellung zu ihrem Recht. Nicht völlig frei machen konnten sich die Macher von dem typischen, freizügigen »Mix der Jahrzehnte«. Denn »Jugend in der DDR« war in den 1950er Jahren anders, mit anderen Plakaten und Bildern behaftet als in den 1980er Jahren. Dass auch in der DDR vieles im Fluss war und Kritikwürdiges durchaus auch verändert oder abgemildert wurde, ist bei vielen Wanderausstellungen nicht so sehr Betrachtungsgegenstand, wie es vielleicht sein müsste.
Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) lud zu Nachdenklichkeit ein. Ihm zufolge ist der Rückblick junger Menschen auf die jüngste, von ihnen nicht erlebte Vergangenheit heute ein anderer als der seiner Generation auf die Nazizeit. »Sie ging mich nichts an. So ähnlich könnte es heute auch gehen, aber - so ist es nicht.« Fritsch wies auf deutliche Unterschiede zwischen der DDR und dem Hitlerreich hin, aber auch auf Ähnlichkeiten. Im Unterschied zur heutigen Zeit sei die Würde des Menschen in der DDR nicht unantastbar gewesen, schloss der Präsident - vielleicht etwas zu kantig. Denn das Leben in der DDR wie auch in der heutigen Zeit wies und weist zu viele Facetten auf, als dass diese Formel so einfach immer gelten würde. Durchaus offen ist, ob beispielsweise gerade in Brandenburg mit der derzeitigen Stasihatz nicht mindestens punktuell und völlig selbstverständlich die Grenze zur Entwürdigung von Menschen überschritten wird.
Natürlich werfen neue Zeiten immer auch ein neues Licht auf scheinbar abgetane, scheinbar erledigte geschichtliche Sachverhalte. Die reifsten Worte fand erstaunlicherweise der Schüler Konrad Moritz Harms, der sich »wirklich dankbar« zeigte für die Vielseitigkeit des Themas. DDR-Geschichte sei kein spezielles Historikerthema, sondern eines, »mit dem jeder etwas anfangen kann«. Die Arbeit an der Ausstellung habe ihn darüber belehrt, dass ein Schlussstrich »grundfalsch« wäre. Was die DDR betreffe - »bleibt die Zusammenfassung schwierig«.
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