Zerstörerischer Rohstoffhunger
Nach Protesten gegen den Konzern Xstrata wurde in einer Region in Peru der Notstand ausgerufen
»Xstrata Tintaya bietet uns nichts an, dabei haben sich die Bedingungen für unseren Hof merklich verschlechtert«, klagt Maximiliana Carlos. Die peruanische Bäuerin aus der Gemeinde Huisa rund vier Fahrtstunden südlich der Touristenmetropole Cusco treibt die kleine Herde der Familie im Tal des Flusses Cañipia über grüne Weiden. Zwanzig Kühe und ein Lama besitzt die Familie noch. »Wir leben von der Milch- und Käseproduktion«, erklärt die Frau von Mitte 40. Doch die Bedingungen für die Viehwirtschaft haben sich spürbar verschlechtert. »Früher hatten wir 80 Tiere, das Gras wuchs deutlich schneller und war nahrhafter. Zudem haben die Kühe heute immer mal wieder Entzündungen und Verätzungen am Maul«, berichtet die Frau, die Angst um die Zukunft ihrer Familie hat. Viel sagend deutet sie nach oben auf den Berg. Hinter diesem befindet sich ein Staubecken, in welches die giftigen Rückstände aus der Kupfermine und Affinerie von Tintaya gepumpt werden und das laut Maximiliana Carlos nicht dicht ist.
»Sickerwasser« lautet das Wort, das viele hier in den Mund nehmen, wenn sie über den Schweizer Konzern Xstrata, den größten Minenbetreiber in Peru, sprechen. Gleich darauf folgt das Wort »Antapaccay«. Das ist der Name einer neuen Mine, die derzeit im Tal des Río Cañipia entsteht. Bagger und schwere Lastwagen haben hier bereits die ersten Tonnen Kupfererz gefördert.
Die Entwicklung kommt nicht
Wirtschaftliche Entwicklung soll der Bergbau der kargen Andenregion bringen, die auf rund 4000 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Doch der Aufschwung lässt auf sich warten und längst zweifelt die lokale Bevölkerung: »Der Bergbau hat mehr Probleme gebracht als gelöst«, kritisiert Victor Quispe Valleriano, Stadtrat in der Provinzstadt Espinar. Er hat Verständnis für die Proteste, die seit Mitte Mai die Region in Atem halten. Demonstrationen gab es täglich und auch Auseinandersetzungen mit der Polizei. Mindestens zwei Protestierer starben dabei, 76 Polizisten wurden verletzt. Daraufhin verhängte die Zentralregierung in Lima Anfang letzter Woche für 30 Tage den Notstand über die Region. Die Situation ist angespannt, denn die Bevölkerung fühlt sich vom Bergbaukonzern betrogen und von der Regierung in Lima nicht ernst genommen.
»Nicht zu Unrecht«, meint der Anwalt Luis Andrés Roel Alva. Er vertritt gemeinsam mit Kollegen vom Instituto de Defensa Legal (IDL) mehrere Bauern und auch die Stadtverwaltung von Espinar, die dem Unternehmen Umweltverschmutzung vorwerfen. Ein Beispiel ist eben jenes Sickerwasser aus dem Staubecken, ein anderes die angebliche Verschmutzung von zwei Flüssen, die für die lokale Wasserversorgung eine Rolle spielen, mit Schwermetallen. Für die Bauern in der Region, die zumeist von der Viehzucht leben, ist dies ein Alarmsignal. »Es wird immer schwieriger«, sagt Stadtrat Valleriano. Der 46-Jährige ist regelmäßig in der Region unterwegs ist. »Seit bekannt geworden ist, dass das Staubecken wohl nicht dicht ist, kauft die Molkerei den Bauern ihre Milch nicht mehr ab.«
Ein Desaster für die Bauern. Die erwarten vom Schweizer Bergbauriesen Xstrata ein Angebot. »Der Konzern könnte unser Land aufkaufen, uns Ausgleichsflächen zur Verfügung stellen oder eine Entschädigung anbieten«, hofft Bäuerin Maximiliana Carlos.
Doch daran denkt bei Xstrata niemand, wie aus einem Schreiben aus dem Xstrata-Büro in Lima hervorgeht. Demnach sei das Unternehmen nicht für die Verschmutzung der Flüsse verantwortlich. »Wir arbeiten mit einem geschlossenen Kreislauf und mit moderner Technik«, erklärt Oscar Delgado, einer der Kommunikationsbeauftragten von Xstrata.
Gewässerbelastung jenseits der Grenzwerte
Genau das wird in Espinar jedoch bezweifelt. Dabei stützt sich Bürgermeister Óscar Mollohuanca auf eine Studie des Gesundheitsministeriums in Lima, die erhöhte Cadmium-, Quecksilber- und Arsenwerte im Blut und Urin von 506 Testpersonen nachgewiesen hat. Alarmierend waren auch die Ergebnisse von 50 Wasser- und 29 Bodenproben, die eine deutsche Umweltexpertin dank der Unterstützung des kirchlichen Hilfswerks Misereor rund um die Mine im Herbst vergangenen Jahres nahm. 29 Wasser- und 27 Bodenproben wiesen dabei eine Belastung über den Grenzwerten auf.
Deshalb wirf IDL-Anwalt Luis Andrés Roel Alva und Bürgermeister Mollohuanca Xstrata vor, »nicht sauber zu spielen«. Doch der Bürgermeister sitzt mittlerweile in Haft.
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