Eilzugtempo in Russlands Duma
Versammlungsrecht steht vor drastischer Verschärfung
Dienstag hatte die Staatsduma bis kurz vor Mitternacht getagt, um das neue russische Versammlungsgesetz im Eilverfahren durchzuwinken. Mehrere hundert Änderungsvorschläge der Opposition scheiterten an den Mehrheitsverhältnissen. Die Regierungspartei »Einiges Russland« kontrolliert 238 der insgesamt 450 Mandate. Am Mittwoch legte der Föderationsrat, das Oberhaus, bei der Verabschiedung ein ähnlich rekordverdächtiges Tempo vor. Dabei hatte der Vorsitzende des Beirats für Menschenrechte und Zivilgesellschaft beim Präsidenten, Michail Fedotow, die Vorsitzende des Föderationsrats, Valentina Matwijenko, schriftlich um die Vertagung gebeten. Jetzt will Fedotow Präsident Wladimir Putin, der die Vorlage per Unterschrift in Kraft setzen muss, um sein Veto bitten. Mehrere Mitglieder seines Beirats haben ebenfalls Bedenken und erklärten bereits Ende letzter Woche ihren Austritt aus dem Gremium. Andere hatten ihr Amt schon vor Putins Vereidigung niedergelegt. Begründung: Ihre Meinung sei dem neuen Präsidenten ohnehin nicht wichtig.
Zwar sagte Putins Pressesprecher Dmitri Peskow, sein Chef werde Fedotows Gesuch »natürlich« sorgfältig prüfen. Die Hoffnung auf eine Rückgabe des Gesetzes an das Parlament zwecks Nachbesserung ist jedoch gering. Denn für den 12. Juni - den arbeitsfreien »Tag Russlands« - plant die Protestbewegung neue Aktionen. Dann, fürchten deren Führer, sollen die neuen Strafen bereits greifen.
Offiziell heißt es, mit dem Gesetz gleiche Russland seine Regeln den in Westeuropa üblichen an. Das ist in Teilen - Beispiel Vermummungsverbot - zwar richtig, die Strafen bei Übertretungen fallen jedoch viel drastischer aus. Einzelpersonen drohen Geldbußen bis zu 300 0000 Rubel (7000 Euro), Organisationen das Doppelte. Auch können Unruhestifter künftig zu gesellschaftlich nützlicher Tätigkeit wie Laubfegen in Parks verurteilt werden. Damit, klagt Oxana Dmitrijewa, die für die oppositionelle Partei »Gerechtes Russland« in der Duma sitzt, verstießen die Gesetzgeber gegen die Verfassung, die Zwangsarbeit verbietet. Wer im Laufe eines Jahres zweimal zu Ordnungsstrafen wegen Verstoßes gegen das Gesetz verurteilt wird, dürfte künftig keine Meetings und Demonstrationen mehr beantragen. Das träfe nahezu die gesamte Führung der gespaltenen außerparlamentarischen Opposition.
Deren linksradikaler Flügel plant einen neuen »Marsch der Millionen« wie vor Putins Amtseinführung. Der Marsch am 6. Mai - gekommen waren 20 000 - endete mit Krawallen, wofür Politikwissenschaftler Dmitri Oreschkin Protestler wie Polizei gleichermaßen verantwortlich machte. Derweil plant die liberale »Liga der Wähler« am 12. Juni einen Aufmarsch mit dem Ziel, eine Volksabstimmung durchzusetzen, um die Gesetzgebung zur Wahl des Moskauer Oberbürgermeisters zu demokratisieren.
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