Anti-Atom-Bürgerinitiative gescheitert
Volksbegehren: EU-Kommission verweigert Zulassung mangels Zuständigkeit - Initiatoren erwägen, den Rechtsweg einzuschlagen
Das erste EU-weite Volksbegehren ist gescheitert, bevor es auch nur starten konnte. Die österreichische Umweltorganisation »Global 2000« hatte gemeinsam mit Partnern in elf weiteren Ländern gleich am 1. April, als das neue EU-Instrument für mehr Bürgernähe in Kraft getreten war, in Brüssel die Bürgerinitiative mit dem Titel »Meine Stimme gegen Atomkraft« eingereicht. Gefordert wurde die sofortige Stilllegung von 62 »Hochrisikoreaktoren«. Für die verbleibenden 71 Reaktoren in der EU sollten bis 2015 zumindest Ausstiegspläne vorgelegt werden. Außerdem wurde »Kostenwahrheit für Energie« verlangt. AKW-Betreiber sollten die tatsächlichen Kosten der »Atommüll-Lagerung für 240 000 Jahre« und Unfälle wie in Tschernobyl und Fukushima tragen. Die in vielen EU-Ländern geltende Steuerfreiheit für Kernbrennstoff sollte aufgehoben werden. Darüber hinaus forderten die Initiatoren ein Verbot von stromfressenden Elektrogeräten und die Auszeichnung besonders energieeffizienter Geräte.
Doch während die EU-Kommission mittlerweile schon sechs - viel später eingereichte - Bürgerinitiativen offiziell registriert, und damit zum einjährigen Sammeln von Unterstützungserklärungen zugelassen hat, warten die Atomgegner noch immer auf eine Nachricht aus Brüssel. Der Brief ist auch schon unterwegs. Er wird aber keine frohe Botschaft für die Initiatoren der Bürgerinitiative enthalten. »Es ist ein Brief an die Initiatoren geschickt worden, mit der Entscheidung, dass die Initiative nicht in die Zuständigkeit der Kommission fällt, beziehungsweise sie nicht gesetzgeberisch tätig werden kann«, so ein Vertreter der EU-Kommission, der nicht genannt werden will.
Die Entscheidung kommt allerdings nicht ganz überraschend. Denn die EU-Verordnung Nr. 211/2011 legt einige Bedingungen für die Durchführung einer EU-Bürgerinitiative fest. Neben der Anforderung, dass sie »nicht offenkundig missbräuchlich, unseriös oder schikanös oder gegen die Werte der Europäischen Union gerichtet ist«, darf sie auch »nicht offenkundig außerhalb des Rahmens (liegen), in dem die Kommission befugt ist, einen Vorschlag für einen Rechtsakt der Union vorzulegen«. Das ist die Hürde, an der die Anti-Atom-Initiative nun gescheitert ist. Die EU-Kommission könnte, selbst wenn sie wollte, kein Gesetz über einen Ausstieg aller EU-Staaten aus der Atomenergie vorschlagen.
Weil sich die zuständige Generaldirektion in der Kommission mit der Entscheidung anders als bei den bereits zugelassenen Initiativen bis zum Ablauf der zweimonatigen Frist Zeit gelassen hat, hatten sich die Befürworter schon auf die Zurückweisung eingestellt: »Wir müssen damit rechnen, dass es abgelehnt wird«, meinte »Global 2000«-Sprecherin Lydia Matzka-Saboi in Unkenntnis des noch nicht eingegangenen Schreibens aus Brüssel.
Man werde aber »je nachdem, wie die Begründung ausschaut, rechtliche Schritte einleiten«. Bei Ablehnung einer Initiative besteht nach Angaben der EU-Kommission die Möglichkeit, den Europäischen Gerichtshof anzurufen oder eine Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten einzureichen. Nach Ansicht von EU-Rechtsexperten ist die Rechtslage aber in diesem Fall zu klar, um eine Wende erwarten zu können.
mam
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