Nordirische Lösung für Kurden?

Türkischer Premier geht formal auf Oppositionsvorschlag ein

  • Jan Keetman, Istanbul
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Türkei nimmt einen neuen Anlauf zur Lösung des Kurdenkonflikts. Diesmal kommt der Vorschlag vom Chef der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP), Kemal Kilicdaroglu.

Kemal Kilicdaroglu trug dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in einem langen Gespräch in dieser Woche einen Zehnpunkteplan zur Lösung der Kurdenfrage vor. Einen großen Durchbruch verhieß das Treffen der beiden Politiker nicht, aber es könnte Bewegung in die Sache bringen.

Der CHP-Chef, dessen eigene kurdische Herkunft nicht ganz klar ist, hatte sich vor der Begegnung mit zwei kompetenten Beratern zusammengetan. Es handelt sich um den erfahrenen türkischen Diplomaten Faruk Logoglu und den kurdischen Anwalt Sezgin Tanrikulu. Der mutige Jurist, der bei den vielen Kurden ohne Zweifel Vertrauen genießt, gilt als Experte für Menschenrechtsverletzungen in der kurdischen Region. Kilicdaroglu machte beide sogar zu seinen Stellvertretern und setzte damit ein Signal der Offenheit in seiner Partei, in der viele das Kurdenproblem nur als einen vom Ausland ferngesteuerten Angriff auf die Türkei sehen.

Kilicdaroglus Plan sieht im Kern vor, zunächst zwei Gremien zu bilden: eine »Versöhnungskommission« aus Vertretern aller vier im türkischen Parlament vertretenen Parteien und eine Gruppe »vernünftiger Menschen«, einen »Rat der Weisen«, der vermitteln und beraten soll.

Erdogan verglich das Treffen mit dem Oppositionsführer sogleich mit den Bemühungen Tony Blairs in der Nordirlandfrage. In seinen Worten »Tony hat mir gesagt...« schwang sein Stolz über das gute Verhältnis zum ehemaligen britischen Premier mit. Zu einem gemeinsamen Vorgehen mit der Opposition habe ihm auch der frühere spanische Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero geraten. Aus das ein Politiker, mit dem Erdogan gut konnte.

Jedenfalls gab sich Erdogan offen dafür, den von Kilicdaroglu vorgeschlagenen Weg zu beschreiten. Indem er auf die Wichtigkeit einer Zusammenarbeit zwischen Regierung und allen Oppositionsparteien hinwies, eröffnete er sich aber geschickt Manöverraum. Erdogans Stellvertreter Ömer Celik sagte, Kilicdaroglus CHP müsse die anderen Oppositionsparteien zunächst einmal dazu bewegen, ebenfalls mitzumachen, »dann werden wir die Sache auch positiv sehen.«

Im Falle der prokurdischen Partei für Frieden und Demokratie (BDP) dürfte das kein Problem sein. Die ultranationalistische Partei der Nationalen Bewegung (MHP) dagegen stellt sich quer. Ihr Vorsitzender Devlet Bahceli erklärte sofort schriftlich, dass aus einer Zusammenarbeit mit ihm nichts wird. Es gebe gar keine »kurdische Frage«, sondern nur »heimtückische Komplotte« gegen »tausendjährige Brüderlichkeit«.

Die Fortsetzung liege nun in den Händen Erdogans, meint die Kolumnistin der Zeitung »Miliyet«, Asli Aydintasbas. Der Regierungschef könne sich den Ultranationalisten von der MHP zuwenden und mit dem sicheren Rückenwind des Nationalismus das von ihm erstrebte Amt des Staatspräsidenten erlangen. Er könne aber auch den weniger sicheren Weg wählen und eine »historische Rolle« bei der Lösung der Kurdenfrage spielen.

Indessen dauert die Konfrontation mit vermeintlichen oder tatsächlichen kurdischen Nationalisten an. Just an dem Tage, da sich Erdogan und Kilicdaroglu trafen, wurden 50 Medizinstudenten und Ärzte verhaftet, die angeblich die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) der PKK unterstützt haben sollen. Tausende angebliche PKK-Unterstützer sitzen bereits in den Gefängnissen. Auch die Repressionen gegen gewählte BDP-Politiker werden fortgesetzt. Doch nichts spricht dafür, dass die Lösung des kurdischen Problems durch Verhaftungen und militärische Aktionen näherrückte.

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