»Der FC Barcelona kam zu mir«

Der katalanische Spitzenklub bildet an der Escola Varsovia in Warschau Talente aus und beschert so Spanien zusätzliche EM-Fans

  • Agnieszka Hreczuk, Warschau
  • Lesedauer: 4 Min.
Trotz des verpatzten Auftakts gegen Italien ist Spanien für viele Polen immer noch der Favorit bei der EM und wird bei der heutigen Partie gegen Irland in Gdansk große Unterstützung erfahren. Denn in Warschau bildet der FC Barcelona selbst Nachwuchs aus. Seit einem Jahr erhalten die besten polnischen Nachwuchsspieler in der Escola Varsovia ihren Schliff.

Der Trainer ist hartnäckig. »Schneller! Schuss! Falsch! Noch Mal! Nicht schlecht!« Pausenlos wiederholen die Spieler denselben Ablauf. Endlich ist der Trainer halbwegs zufrieden. Bartek lässt sich nicht abschrecken. »Wenn man gut spielen will, muss man hart üben«, sagt er und zieht sein dunkelblau und rot-gestreiftes Trikot bis zu den Knien in die Länge. Ein Trikot der Fußballprofis des FC Barcelona. Bartek ist acht Jahre alt und spielt in einer polnischen Filiale der Fußballschule des katalonischen Klubs. Escola Varsovia heißt das Fußballzentrum des FC Barcelona in Warschau.

Barcelona hat in Polen besonders viele Fans. Im Sommer 2011 hörte Barteks Vater Robert im Fernsehen, sein Lieblingsklub wolle in Polen eine Fußballschule gründen. »Es klang zu schön, um wahr zu sein«, sagt er heute. Die ersten Informationen zur Aufnahmeprüfung fand Bartek allein im Internet. Zur Aufnahmeprüfung ging er gemeinsam mit seinem Vater, der fest die Daumen drückte. Ganz aufgeregt und verschwitzt, trotz des Herbstwetters. »Ich glaubte an meinen Sohn, aber als ich diese Menschenmassen sah, wusste ich, dass es genug gute Jungs gab«, erzählt er. »Ich wollte die Hoffnungen etwas dämpfen. ›Zeig einfach, was du kannst. Wenn es nicht reicht, ist das auch kein Weltuntergang.‹« Er wusste, dass er es schaffen würde, sagt dagegen Bartek heute. Das hat er auch. Am 11. November bekam Bartek sein Trikot - das erste Training in der Escola Varsovia.

Das Datum vergisst auch Piotr Zasada nicht. »Das Herz schlug stark und schnell«, erinnert er sich sieben Monaten später. »Ich bin bei Barcelona. Mein Traum ist in Erfüllung gegangen, das war einfach zu schön!« Piotr war fünf oder sechs Jahre alt - genau weiß er es nicht mehr -, als er dem FC Barcelona sein Herz schenkte. »Sie waren die Besten«, sagt Piotr überzeugt. »Ich wusste, dass ich kein Feuermann oder Polizist sein wollte, wie meine Kindergartenfreunde, sondern ein Fußballspieler. Natürlich bei Barca.« Sein Idol war damals Romario.

Piotr übte fleißig. »Als Teenager wurde mir irgendwann jedoch klar: Aus Barca wird nichts. Man muss realistisch sein«. Er studierte an einer Sporthochschule und wurde Fußballtrainer. Piotr ist heute Koordinator in einem von vier Schulungszentren der Escola Varsovia. »Hätte mir damals jemand gesagt, dass nicht ich zu Barcelona nach Spanien kommen würde, sondern sie zu mir nach Polen, ich hätte das nie geglaubt.«

3000 Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren bewarben sich um einen Platz in der Schule. 600 wurden angenommen, darunter ein Mädchen, das besser als viele Jungs war. Barca ist eine Marke, sagt Zasada. Anfang Juni gab es einen zweiten Anlauf. Zur Aufnahmeprüfung meldeten sich noch mehr Kinder an.

190 Zloty (44 Euro) monatlich kostet die Schule, plus 90 Euro, die jährlich für die Ausrüstung fällig werden. In einem Land mit 360 Euro Mindestlohn ist das nicht wenig. Die meisten Kinder kommen aus Warschau und Umgebung sowie aus Großstädten. Dort verdienen die Eltern viel mehr. Und für viele ist der Traum jedes Geld wert. »Für die besten Absolventen besteht die Möglichkeit, ihre Ausbildung weiter in Spanien fortzusetzen«, steht in der Ausbildungsordnung.

»Wir sollen immer daran denken, dass es auf dem Fußballplatz keine Feinde gibt, sondern Partner, mit denen wir unsere Faszination teilen«, heißt es dort ebenfalls. Pünktlichkeit und Respekt wird vorausgesetzt. Dazu gilt in der Schule ein Alkohol-, Zigaretten- und Schimpfwörterverbot.

Die Schule bleibt in Kontakt mit den Grundschulen, die die Kinder besuchen und überprüft die Noten. Werden sie schlechter, fliegt man aus der Escola raus. Robert findet das »gut«, auch wenn es seinem Sohn nicht immer gefällt. »Vom Fußball kann man leben, aber nur, wenn man gut ist. Und auch nicht das ganze Leben lang. Man muss eine Ausbildung haben. Ich möchte nicht, dass Bartek die Schule wegen des Fußballs vernachlässigt«, sagt er. Die Trainings werden wegen der EM nicht abgesagt. Wenn Bartek entscheiden müsste, ob er zum Training kommt, oder sich das EM-Spiel anschaut? »Klar, das Training«, antwortet er ohne lange zu überlegen. »Selbst zu spielen macht mehr Spaß«, sagt er.

Während der EM sind Bartek und sein Vater für Polen. Sollte die Heimelf rausfliegen, steht der Favorit für beide fest, denn wer Europameister wird, weiß jeder in der Escola Varsovia: »Spanien.«

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