Linke Buchtage trotz fehlender Grundlage

Boykottaufruf im Vorfeld, weitere Querelen in Aussicht - doch die Messe findet ab heute wie gewohnt statt

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie sind eigentlich ein jährliches intellektuelles Highlight im Berliner Terminkalender: die Linken Buchtage in den Räumen der Erwachsenenschule im Kreuzberger Mehringhof. Dieses Wochenende finden sie vielleicht zum letzten Mal in dieser Form statt.

Reizvoll sind die Linken Buchtage nicht nur wegen der Verkaufsstände von Verlagen und modernen Antiquariaten. Vor allem das stets thematisch breite Angebot an Neuvorstellungen dürfte Alt und Jung locken. Bei diesen Präsentationen wird dann auch diskutiert, und vor zwei Jahren gab es bereits großen Streit bei einer Buchvorstellung zum Thema Islam, der sich auch im Internet fortsetzte.

Dieses Jahr ging es schon im Vorfeld der Messe heftig zur Sache. Als der Hamburger Laika-Verlag nach einem Verkaufsstand fragte, wurde ihm beschieden, er sei nicht erwünscht. Die Ablehnung gründet in der Kritik der Vorbereitungsgruppe an dem Buch »Mitternacht auf der Mavi Marmara - Der Angriff auf die Gaza-Solidaritäts-Flottille«. Die Gruppe findet, »dass die ›Gaza-Hilfsflottille‹ von 2010 die Grenze dessen, was linke Politik bedeutet, nach rechts hin überschritten hat«. Das Buch hingegen sei da absolut unkritisch (siehe dazu »nd« vom 30. Mai).

Laika gelang mittlerweile eine immense Skandalisierung. Ein Boykottaufruf gegen die Linken Buchtage im Internet, der sich gegen »Zensur« wendet, wurde von vielen und zum Teil prominenten Menschen aus dem In- und Ausland unterzeichnet. Der Text stellt die Nichteinladung von Laika als Versuch dar, »internationale linke Stimmen gegen Besatzung, Krieg und Unterdrückung zum Schweigen zu bringen«. Ein seit spätestens vergangenem Montag auf Email-Verteilern kursierender Text, der offensichtlich von den Verantwortlichen des Boykottaufrufs stammt, versteigt sich zu wüsten politischen Beschimpfungen gegen die Messeorganisationsgruppe.

Die reagierte auf die Solidarisierungswelle, die auch von ihnen angefragte Verlage umfasste, mit einem bemerkenswerten Einknicken. Obwohl die Solidarisierung mit Laika »keine Grundlage für ein gemeinsames Projekt« sei, gab die Gruppe dem Druck nach und ließ den Hamburger Verlag wieder zu. Laika lehnte zwar ab, doch dieser Schritt scheint den anderen Verlagen erst mal zu genügen. »Kein Verlag hat seine Teilnahme an den Buchtagen wieder abgesagt«, sagt Christian Walter von der Organisationsgruppe gegenüber »nd«. Er erklärt auch, dass das Vorgehen tatsächlich so sei, dass die relativ anonyme Gruppe Verlage zur Messe einlade, eine Nichteinladung also etwas anderes ist als ein Ausschluss. Was ist nun aber mit der »fehlenden Grundlage« für eine weitere Kooperation mit den anderen Verlagen? Was bedeutet das für die Zukunft der Linken Buchtage? »Wir haben noch nicht viel mit den Verlagen gesprochen«, antwortet Walter.

Dass es zu einem größeren Bruch kommen könnte, legt Karl-Heinz Dellwo von Laika nahe, der die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen will. Laika stehe mit anderen Verlagen in Kontakt, vielleicht gebe es nächstes Jahr »etwas alternatives« zu den Linken Buchtagen, sagt er.

Das Vortragsprogramm für dieses Wochenende jedenfalls ist gewohnt reizvoll und vielfältig. An den drei Tagen gibt es von zwei Dutzend Verlagen Buchvorstellungen. Kritik der politischen Ökonomie und politische Theorie sind ebenso Thema wie die aktuellen Krisen und die Proteste dagegen. Sowohl der zeitgenössische als auch der historische Nationalsozialismus (und der Widerstand dagegen) werden behandelt. Andere historische Werke beschäftigen sich mit theoretischen und praktischen kommunistischen und anarchistischen Ansätzen. Um Popkultur und Kulturindustrie wird es ebenso gehen wie um Feminismus, Postkolonialismus und Solidarische Ökonomie. Drei Buchvorstellungen widmen sich Themen der Psychologie. Als Autoren angekündigt sind auch die pensionierten langjährigen Hochschullehrer Georg Fülberth, Gerhard Hauck, Freerk Huisken und Morus Markard.

15.-17. Juni, Mehringhof, Gneisenaustraße 2a, Fr.: 17-22 Uhr; Sa.: 11-22 Uhr; So.: 11-16 Uhr; www.linkebuchtage.de

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