Die LPG wurde meistens eine Agrargenossenschaft

Gutachten stellt fest: Bauern, die künftig allein wirtschaften wollten, wurden um Teile ihrer Abfindung gebracht

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 2 Min.

Die genossenschaftlich geprägte Landwirtschaft Brandenburgs befindet sich in einer guten Wettbewerbsposition, sie behauptet sich achtbar im deutschen und europäischen Vergleich. Zu dieser Einschätzung gelangt das Gutachten »Agrargeschichte des Landes Brandenburg nach 1989/90«, das am Freitag in der Enquetekommission zur Aufarbeitung der Nachwendejahre vorgelegt worden war.

Gutachter Professor Klaus Müller - er leitet das Institut für Sozioökonomie - begründet diese Einschätzung unter anderem mit einem starken Anstieg der Produktivität nach der Wende. Ein immer behaupteter »spezifisch brandenburgischer Weg« auf dem Feld der Agrarpolitik sei nicht zu erkennen, die Landesregierung habe sich vielmehr am damaligen »Mainstream« orientiert, der auch für die Entwicklungen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt bestimmend gewesen sei. Substanzielle Unterschiede seien weder in der Förderpolitik noch bei den strukturellen Veränderungen sichtbar geworden. Nirgends sei eine deutlich abweichende Situation erkennbar. Einem Gutachten zur »Umwandlung der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften im Land Brandenburg« von Professor Walter Bayer ist zu entnehmen, dass aus rund 350 LPGn in der Nachwendezeit 248 Agrargenossenschaften, 99 GmbH und 18 GmbH & Co. KG hervorgegangen sind. Das sei unter großem zeitlichen Druck geschehen, weil alle Genossenschaften, die bis 31. Dezember 1991 nicht in einer neuen Rechtsform standen, liquidiert werden mussten. Hinzu seien auch mangelnde Erfahrungen getreten, heißt es. So war es kein Wunder, dass »fast alle Umwandlungen fehlerhaft« waren, wenn auch nur in jedem zehnten Fall so schwerwiegend, dass die Umwandlung als unwirksam eingestuft werden musste. Manche LPG befindet sich bis heute in Auflösung.

Professor Bayer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena stellte weiterhin fest, dass die gesetzlichen Vorgaben zur Abfindung ausscheidender LPG-Bauern flächendeckend missachtet worden sind. Aber auch darin unterscheide sich Brandenburg nicht von anderen Bundesländern. Vor allem die Bildung überhöhter Rücklagen habe ehemalige LPG-Mitglieder um Mittel gebracht und »benachteiligt«. Mitunter sei es im Nachhinein aber zu Nachbesserungen gekommen.

Die Landtagsabgeordnete Kornelia Wehlan (LINKE) meinte, die geforderten hohen Entschädigungen hätten zur Schwächung oder Zerschlagung großflächiger Agrarstrukturen geführt, »die sich aus den natürlichen Bedingungen ableiten und die historisch gewachsen sind«. Fraktionskollege Peer Jürgens sagte, der pauschale Filzvorwurf sei nicht gerechtfertigt.

Parallel zur Sitzung der Kommission demonstrierten vor dem Landtag Bodenreformerben, die vom Staat um ihr Eigentum geprellt worden sind.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!