Ob Songül, ob Kalle - wir bleiben alle
Impulse für 2299 Euro Eintritt: Protest gegen Kongress der Immobilienwirtschaft
»Keine Rendite mit der Miete.« Das Motto der gestrigen Demonstration anlässlich der Jahrestagung der Immobilienwirtschaft, ist längst zum Schlachtruf geworden. Die Parole steht schließlich stellvertretend nicht nur für den Protest gegen steigende Mieten, sondern auch für den Unwillen, die daraus folgenden Konsequenzen zu akzeptieren.
Rund 500 Menschen demonstrierten am Montagnachmittag vor dem Ritz-Carlton Hotel in Berlin-Tiergarten. Immer wieder schallte der Ruf »Hopp, hopp, hopp - Mietenstop!« über der Menschenmenge. Dort trafen sich Vertreter der deutschen Immobilienunternehmen mit den Spitzen der deutschen Stadtentwicklungspolitik zu Vernetzung und Trendforschung. 2299 Euro plus Mehrwertsteuer kostet der Zutritt zu der vom Handelsblatt organisierten Konferenz. Der erste Kongresstag sollte mit einem Essen in »edlem Ambiente« enden, wo »interessante Impulse für eine in die Zukunft gerichtete Immobilienwirtschaft« nur so sprudeln sollten. Derlei wünschte sich zumindest Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) im vorab veröffentlichten Grußwort.
»Die Mieten in Berlin steigen rasant. Das bedeutet für viele erhebliche Probleme. Die Mieterinnen und Mieter lassen sich nun nicht mehr länger gefallen, dass sie für die Rendite der Wohnungskonzerne bezahlen sollen«, sagte David Schuster, Sprecher des Bündnisses aus Mieterinitiativen, Kiezversammlungen und politischen Gruppen. Deswegen habe man beschlossen, die Jahrestagung der Immobilienwirtschaft zu stören und zu belagern. Am Hotel angekommen versuchen kleinere Gruppen, auch auf die Rückseite des Gebäudes zu gelangen. Eine Zeit lang wird es daher unruhig, die Polizei läuft hektisch hin und her. Abgesehen davon bleibt die Stimmung während der Demo friedlich.
Auch nach dem Kongress wollten die Aktivisten nicht locker lassen, die Teilnehmer sollten auf ihrer Fahrt vom Hotel zum Dinner in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg mit »mit kreativem Protest« begleitet werden. »Fang den Bus« lautete das passende Motto, denn die KongressteilnehmerInnen sollten mit VIP-Bussen nach Prenzlauer Berg gefahren werden. »Sie können sich im Hotel und der Kulturbrauerei einbunkern, aber die Straßen und die Stadt gehört uns.« Mit immer wieder neuen Demonstrationen und Aktionen wie der Errichtung des Camps am Kottbusser Tor beweisen die zahllosen Mieterinitiativen und politischen Gruppen, dass das Thema Mietenpolitik nicht an Brisanz verliert und man sich nicht so einfach vertreiben lassen will. Als die ersten am Hotel ankamen, tönte über den Demonstranten schließlich eine neue Parole: »Ob Songül, ob Kalle - wir bleiben alle!«
● Starke Nachfrage führt zu steigenden Mieten: Neumieter zahlten 2011 monatlich im Schnitt 6,49 Euro netto kalt pro Quadratmeter, laut IBB-Bericht fünf Prozent mehr als 2010.
● Die GSW verzeichnet einen Anstieg von Angebotsmieten um 7,8 Prozent auf 6,59 Euro. Besonders heftig stiegen die Mieten bei Neubauwohnungen.
● Bestehende Mieten liegen bei etwa 5,21 Euro pro Quadratmeter, sie sind in den letzten zwei Jahren um etwa vier Prozent angestiegen.
● Die Bevölkerung wächst schneller als das Wohnungsangebot. Allein in den ersten elf Monaten 2011 zogen 30 000 Menschen mehr nach Berlin als von hier weg. sal
Weiteres im Dossier zur Berliner Stadtentwicklung: www.nd-aktuell.de/berlinerwandel
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