Die Entwicklung hin zur Einheit
Portugal steht nach einem glanzlosen 1:0-Sieg über Tschechien im EM-Halbfinale - Coach Bento findet die Balance
Luis Figo litt oben auf der Tribüne. Zuschauen, das musste der portugiesische Rekordnationalspieler in den vergangenen Jahren immer wieder feststellen, ist viel nervenaufreibender als selbst zu spielen. »Man hat immer Angst, dass noch etwas Negatives passieren könnte«, sagte der frühere Kapitän der Seleção, nachdem alles gut gegangen war. Portugal erreichte mit einem 1:0-Sieg gegen Tschechien das Halbfinale der EM und spielt nun gegen England oder Titelverteidiger Spanien.
Figo mag sich an seine EM-Erlebnisse erinnert haben. 2004 hatte er es im eigenen Land bis ins Finale geschafft. Die goldene Generation stand vor ihrem ersten großen Titel, sie war haushoher Favorit gegen Griechenland, aber dann zerstörte ein einziger Gegenstoß den großen Traum der Mannschaft, eines ganzen Landes.
Auch dieses Mal sah sich Portugal einer defensiv ausgerichteten Mannschaft gegenüber. Eine knappe halbe Stunde lang wusste das Team nicht, wie es die gut organisierte tschechische Abwehr aushebeln kann. Erst später besannen sie sich darauf, nach einer spielerischen Lösung zu suchen und fanden sie auch. Geduldig warteten sie auf ihre Chancen, von denen Ronaldo dann eine zum Siegtor nutzte.
Der Kapitän schickt sich an, den Makel, den er seit Jahren mit sich trägt, zu tilgen. Egal, bei welchem Verein, ob noch daheim in Portugal, dann in Manchester oder nun bei Real Madrid, Ronaldo hatte nirgendwo große Eingewöhnungsschwierigkeiten und erreichte stets geschwind höchstes Niveau, nur eben in der Nationalmannschaft nicht. Wenn es darauf ankam, ließ er stets all das vermissen, was den hochtalentierten Fußballer auszeichnet. Und dieses Turnier begann nicht anders, er vergab beste Gelegenheiten. Im Duell mit den Niederlanden schaffte er die Befreiung, seine beiden Tore könnten der Beginn einer neuen, sehr schönen Geschichte sein. Ronaldo ist nicht mehr nur nominell der Motor dieser Mannschaft. Er läuft endlich auch auf Hochtouren.
Diese Entwicklung ist wohl vor allem der Verdienst von Paulo Bento. Dem 43-Jährigen trauten die wenigsten zu, dass er die Balance in der Mannschaft um Superstar Ronaldo hinbekommt. Die dritte Halbfinalteilnahme bei einem großen Turnier innerhalb von acht Jahren, dürften nun alle aber eines Besseren belehrt haben.
Es hat vielleicht ein bisschen mit Bentos früherer Rolle in der Nationalmannschaft zu tun. Er galt einst als fleißiger Arbeiter, immer im Schatten der Stars wie Figo oder Rui Costa, und kann sich hineinversetzen in Raul Meireles und Joao Moutinho, die im Mittelfeld nicht nur kämpferisch überzeugen, sondern immer wieder spielerische Akzente setzen, allerdings nur als Randfiguren wahrgenommen werden. »Wir sind eine Einheit«, sagt Bento.
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