Sprechstunde im Klassenzimmer

Grüne fordern Präventionsstrategie statt eines einzelnen Vorschlags zur Untersuchung von Schulkindern

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat eine neue, alte Idee verkündet. Er möchte Ärzte zu Vorsorgeuntersuchungen von Kindern in Schulen schicken.
1979 in der DDR: Eine Ärztin untersucht Schüler der Berliner Carl-von-Ossietzky-Oberschule.
1979 in der DDR: Eine Ärztin untersucht Schüler der Berliner Carl-von-Ossietzky-Oberschule.

Die DDR lässt grüßen, mag sich der eine oder andere Neubundesbürger denken, wenn er den neuen Vorschlag von Ressortchef Bahr hört, der nicht müde wird, neue Arbeitsfelder für Mediziner zu erschließen. Rollende Zahnarztmobile, Schutzimpfungen in der Turnhalle oder Reihenuntersuchungen im Kindergarten waren in der DDR ganz selbstverständlich. Doch der Minister denkt eher an »die sehr guten Erfahrungen bei den Vorbeugeuntersuchungen zur Zahngesundheit von Schulkindern.« Sie seien Anlass, auch weitere Vorbeugeuntersuchungen in Schulen zu prüfen, sagte er der »Hannoverschen Allgemeinen Zeitung«, kaum, dass die letzte Sitzung des Bundestages vor der Sommerpause beendet war. Der Minister kündigte auch gleich entsprechende Gespräche mit den Ländern an. Die Reaktionen sind zwar saisonbedingt spärlich, aber im Großen und Ganzen positiv. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen begrüßte einen Ausbau der Früherkennung in den Schulen. »Damit kommt die öffentliche Hand ihrer Verpflichtung, im Rahmen der Prävention einen eigenen Anteil zu leisten, besser nach als heute«, sagte Verbandssprecher Florian Lanz.

Bislang sind zusätzlich zu den kostenlosen Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt nur sogenannte Schuleingangsuntersuchungen üblich, die einen Hör- und Sehtest sowie eine Prüfung der Sprachentwicklung enthalten. In einigen neuen Ländern gibt es nach wie vor Untersuchungen im Laufe der Schulzeit. So ist es in Sachsen gesetzlich geregelt, dass Schüler in der 2. oder 3. und dann noch einmal in der 6. Klasse dem Jugendarzt des zuständigen Gesundheitsamtes vorgestellt werden. Auf Wunsch können die Eltern dabei sein. Als Ziel formulieren die Gesetzgeber des Freistaates, »Gesundheits- und Entwicklungsstörungen mit besonderer Bedeutung für einen erfolgreichen Schulbesuch frühzeitig zu erkennen und die Schüler und Eltern hinsichtlich notwendiger medizinischer und therapeutischer sowie die Schule hinsichtlich schulischer Fördermaßnahmen zu informieren. Dazu gehören auch Maßnahmen zur Erkennung und Verhütung von Zahnerkrankungen.«

Der Bundesgesundheitsminister hatte seinen Vorstoß offenbar mit keinem Gesundheitsexperten oder Fachpolitiker vorher beraten. Genau das kritisiert Maria Klein-Schmeink, Sprecherin für Prävention bei den Grünen im Bundestag: »Ohne Abstimmung mit den wesentlichen Akteuren und ohne öffentliche Debatte wird über Nacht ein Vorschlag präsentiert, der einseitig auf medizinische Aspekte ausgerichtet und noch nicht einmal wirklich ausgearbeitet ist.« Drei Jahre lang hätte die Bundesregierung nichts zu der in ihrem eigenen Koalitionsvertrag angekündigten Präventionsstrategie vorgelegt. Gesundheitsförderung und Prävention seien zu wichtig, um immer nur Bausteine zur Früherkennung in einer Hauruck-Aktion einzuführen. Profitieren würden niedergelassene Ärzte, sozial Benachteiligte blieben erneut auf der Strecke. Unzufrieden sind auch die Kinder- und Jugendärzte, deren Verband ein Präventionskonzept bevorzugt, das gemeinsam mit den Eltern umgesetzt wird. Die Ärztekammer Berlin fragt, wo die Ärzte herkommen sollen, die diese Aufgabe erfüllen.

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