Provinz ist cool

Sønderborg will Europäische Kulturhauptstadt werden und Dänemarks Grenzregion voranbringen

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.
Die dänische Stadt Sønderborg bewirbt sich um den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt 2017. Gemeinsam mit der Region Schleswig will sie grenzübergreifend eine ländliche Metropole schaffen und beweisen, dass auch Randlagen attraktiv sein können.

Die süddänische Stadt Sønderborg sieht idyllisch aus, fast wie eine Postkarte. Sie hat ein historisch wertvolles Schloss und liegt auf der kleinen Insel Alsen. Das ist ein gewisses Startkapital, doch um Stadt und Umgebung attraktiv zu machen für Zuzügler und Investoren, muss die Kreativität der Region geweckt werden. Das in etwa muss sich Stephan Kleinschmidt gedacht haben, Sønderborgs Stadtrat für Kultur und Wirtschaft und Angehöriger der deutschen Minderheit im Land, als er die Bewerbung der Stadt zur Kulturhauptstadt Europas 2017 vorschlug.

Anfangs waren die Stadtväter skeptisch - kann eine Stadt mit 30 000 Einwohnern schaffen, was Madrid, Rotterdam, Stockholm oder Kopenhagen gelang? Jetzt aber unterstützen sie die Idee und hoffen auf eine günstige Entscheidung im August. Bekommt Sønderborg den Zuschlag, sollen 50 Millionen Euro für die Vorbereitungen ausgeben werden.

Sønderborgs Konzept zielt nicht darauf ab, die Bürger mit einer Kaskade von Kulturereignissen zu überschütten, die im Jahr darauf vergessen sind. Natürlich wird es Kultur geben, aber vor allem soll der Status der europäischen Hauptstadt dazu dienen, die Aufmerksamkeit von Investoren und Bürgern auf das Potenzial von Stadt und Umgebung zu lenken.

Die Verantwortlichen sind zu dem Schluss gekommen, dass ihre Stadt die Herausforderung nicht allein annehmen kann. Zusammen mit Flensburg und Schleswig soll eine »Countryside Metropolis« geschaffen werden, eine ländliche Metropole, die die gleiche Attraktivität wie eine Großstadt besitzt. »Provinziell ist cool« heißt es auf der Bewerbungsseite Sønderborgs im Internet. Die Region Sønderjylland-Schleswig habe 700 000 Einwohner; Ziel sei es, die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg zu stärken.

Einst war Sønderborg unter dem Namen Sonderburg Teil des deutschen Kaiserreiches. Bestimmt nicht aus eigenem Wunsch, sondern im Ergebnis eines Krieges, der auf deutscher Seite als Teil des nationalen Einigungsprozesses beschrieben wird und dänischerseits als gescheiterter Versuch, die historisch gewachsenen Zugehörigkeitsverhältnisse zum Königshaus in einen Zentralstaat umzuwandeln. Vor den Toren der Stadt Sønderborg wurden 1864 die blutigsten Kämpfe ausgefochten, die mit der kompletten Niederlage Dänemarks endeten. Umso größer war 1920 der Jubel, als dieser Landstrich nach einer Volksabstimmung wieder dänisch wurde.

Nach Jahrhunderten mit wechselnden Grenzen und Herren hat das Grenzland Ruhe bekommen, aber dafür müssen andere Probleme gelöst werden. Randlage ist auch in Dänemark ein bekannter Begriff und die Region Südjütland mit Sønderborg als größter Stadt gehört zu einer solchen. Mit der kuriosen Ausnahme, dass Danfoss, ein Weltkonzern für Wärme- und Kältetechnik, unweit der Stadt sein Hauptquartier hat. Aber der Konzern ist bei aller Heimatliebe Globalisierungszwängen unterworfen und nicht alle, die möchten, können dort ihr Brot verdienen. Die Region leidet wie andere unter Abwanderung insbesondere der jungen Leute.

»Kultur wird als Triebkraft jeglicher gesellschaftlicher Entwicklung betrachtet und macht die Kandidatur Sønderborgs so viel anspruchsvoller«, findet Jørgen Mads Clausen, Vorstandsvorsitzender von Danfoss und Nachkomme des Gründers. Er unterstützt das Projekt im Führungsausschuss. Für Stephan Kleinschmidt ist Danfoss als weltweit agierendes Unternehmen ein Vorbild für das Credo, unter dem Sønderborgs Bewerbung steht. »Kreativität ist nicht auf die Metropole begrenzt«, betont er. Die Danfoss-Idee wurde vor 80 Jahren auf einem Bauernhof geboren.

Die Verwirklichung von »Countryside Metropolis« Sønderborg hängt nicht vom Zuschlag ab, Kulturhauptstadt zu werden. Aber dieser Titel würde es einfacher machen, Stadt und Region in das Bewusstsein eines weitaus größeren Personenkreises zu bringen. Ein blühendes Kulturleben soll menschliches wie finanzielles Kapital anlocken und beweisen, dass auch Randlagen wichtige Bestandteile Europas sind und die Zusammenarbeit über die Grenzen kein Hindernis ist, sondern eine Stärke.

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