Dramatische Selbstinszenierung

Serena Williams krönt in Wimbledon ihr Comeback mit dem Finalsieg über die Polin Agnieszka Radwanska

  • Cai-Simon Preuten, SID
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit 6:1, 5:7 und 6:2 gegen Agnieszka Radwanska feiert Serena Williams ihren fünften Triumph in Wimbledon.

Serena Williams liebt das Drama. Sie liebt den öffentlichen Auftritt und die Selbstinszenierung. Große Siege feiert sie in kunstvoller Pose. Zum Gesamtkunstwerk Serena Williams gehören nun fünf Wimbledontitel und eine Leidensgeschichte, die sie mit Inbrunst erzählt. »Vor ein paar Monaten lag ich noch im Krankenhaus. Jetzt stehe ich hier«, stammelte Williams mit tränenerstickter Stimme auf dem heiligen Rasen: »Davon habe ich nie zu träumen gewagt.«

Wenige Momente später, die Zuschauer auf dem Centre Court hatten den 6:1, 5:7, 6:2-Sieg der 30-Jährigen über die unscheinbare Polin Agnieszka Radwanska fast schon wieder vergessen, saß Williams auf dem Podium des All England Clubs und blickte traurig zu Boden. Schwer atmete sie ein, ihre Stimme hatte das Laute und Schrille verloren. »Es war viel, ganz schön viel«, sagte die Amerikanerin: »Ich war down. Am tiefsten Tiefpunkt.«

Die Inszenierung stimmte bis ins kleinste Detail, dabei wäre Williams' Geschichte auch ohne antrainierten Augenaufschlag und perfekt platzierte Seufzer anrührend genug gewesen. »Es gab einen Moment«, begann sie zu erzählen, »da saß ich auf der Couch.« Gebannte Stille: »Ein oder zwei Tage bin ich nicht aufgestanden. Mir war einfach alles zu viel. Ich habe gebetet, weil ich nicht mehr konnte: Bitte, lass mich das hier durchstehen.«

Vor zwei Jahren war sie in einem Münchner Restaurant in Glasscherben getreten. Verletzungen an beiden Füßen waren der Auftakt ihrer Leidenszeit. Eine Lungenembolie brachte sie ins Krankenhaus, ihr musste ein Blutgerinnsel in der Lunge entfernt werden. Sie erzählte, wie ihre Familie und Freunde nächtelang am Krankenbett ausgeharrt hatten, als müsse sie eine spirituelle Erklärung für ihren Triumph finden.

Tatsächlich war Williams selten so gut in Form wie bei diesem Wimbledonturnier. Nicht vor 13 Jahren, als sie bei den US Open ihr erstes Major gewonnen hatte, nicht vor zehn Jahren, als sie nacheinander in Paris, London, New York und Melbourne triumphierte und damit den Serena-Slam schaffte. »Ich habe mich nie besser gefühlt«, sagte sie, nachdem sie mit 102 Assen in sieben Spielen einen Turnierrekord aufgestellt hatte. 24 waren es im Halbfinale, 17 im Endspiel, alleine vier innerhalb von 49 Sekunden. Dagegen hat keine Spielerin eine Chance.

Dabei wird Williams im September bereits 31 Jahre alt. Zuletzt hatte Martina Navratilova vor 22 Jahren als über 30-Jährige in Wimbledon gewonnen. »Mental bin ich erst zwölf oder 13. Ich hoffe, ich werde bald erwachsen«, sagte Williams, und das gehörte einmal nicht zu ihrer Inszenierung. Nach Siegen hat sie kindlichen Spaß. Mit der Schale in der Hand tanzte sie förmlich über den heiligen Rasen und hüpfte vor Glück.

Sind nun selbst die Rekorde von Steffi Graf (22 Titel bei Grand-Slam-Turnieren) und Navratilova (18) in Reichweite? »Ich wüsste nicht, warum sie es nicht sein sollen«, antwortete Williams: »Mein Ziel ist das nächste Turnier, dann der nächste Grand Slam. Ich mache das nach und nach.« Gegen Radwanska war sie so überlegen, dass man es ihr glauben möchte. Als sie im zweiten Durchgang eine 4:2-Führung verspielte, hatte sie sogar Zeit für ein Mini-Drama. Ganz ohne geht es bei Serena Williams nicht - so viel ist klar.

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