Kampfzone Tanzfläche

GEMA fühlt sich im Konflikt mit den Clubs um neue Tarife missverstanden und gibt sich kompromissbereit

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist wie immer bei Tarifverhandlungen. Jede Seite versucht, die jeweiligen medialen Möglichkeiten ausnutzend, die Öffentlichkeit von ihrer Position zu überzeugen. So auch bei der lautstarken Auseinandersetzung um geplante neue Tarife für die Musiknutzung in Diskotheken. Die wird geführt zwischen der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), die im Namen von Musik- und Textkomponisten verhandelt, und den Diskotheken und Clubs, vertreten durch den Bundesverband deutscher Discotheken und Tanzbetriebe (BDT) und den deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). In Berlin, wo die mit Abstand meisten und wichtigsten Clubs in Deutschland beheimatet sind, kocht die Debatte - flankiert durch Demos und Onlinepetitionen - besonders hoch.

Die GEMA fühlt sich in dieser leidenschaftlichen Diskussion missverstanden und zu Unrecht in der Defensive. »Für 60 Prozent der Lizenznehmer wird die Musiknutzung durch unsere neuen Tarife ab 2013 billiger«, erklärt Peter Hempel von der GEMA. »Es gibt ca 7000 Clubs, wir haben aber 1,5 Millionen Lizenznehmer.« Es sei bemerkenswert, wie einerseits mit den Clubs eine vergleichbar kleine Gruppe die Diskussion dominiere, andererseits all die Profiteure von den geplanten Neuregelungen schweigen würden, beklagt sich Hempel.

Das liegt vor allem daran, dass die Tanzbetriebe durch den Wegfall bisheriger Sonderregelungen zu den eindeutigen Verlierern der GEMA-Reform gehören würden, bei der die bestehenden 11 Tarife zu zwei zusammengefasst werden sollen. Die Diskotheken müssten zukünftig ab einer bestimmten Größe zehn Prozent des Eintritts berappen. Der weltberühmte Technoclub »Berghain« etwa rechnet vor, dann 1400 Prozent mehr GEMA-Gebühren zahlen zu müssen. Das zieht die Verwertungsgesellschaft gar nicht in Zweifel, sagt aber, dass eben bisher viel zu wenig gezahlt worden sei. In einer Tageszeitung rechnet die GEMA vor, dass das »Berghain« von seinen etwa 2,5 Millionen Euro Jahresumsatz bei den neuen Tarifen ca. 100 000 Euro für die Musik zahlen müsste. Die Frage, ob das nicht ein angemessenes Verhältnis ist, da schließlich das ganze Geschäftsmodell kommerzieller Nachtclubs auf abgespielter Musik beruht, ist der Kern der Debatte.

Die momentanen Gerüchte über eine mögliche Schließung des Kultclubs »Berghain« können zwar ruhigen Gewissens als Theaterdonner zur Stärkung der Verhandlungsposition gewertet werden. Dass die zum Teil drastische Erhöhung der Gebühren aber viele Diskotheken in Schwierigkeiten bringen wird, steht für die Interessenvertretung der Berliner Clubs, die Clubcommission, fest. Auf 400 bis 600 Prozent beziffert Clubcommision-Sprecher Lutz Leichsenring die Steigerung der Ausgaben für die Musiknutzung, sollte die Reform wie geplant umgesetzt werden. Dies sei auch »für viele andere Clubs« neben dem Berghain existenzgefährdend.

Unterdessen trommelt die Clubszene zum Protest - zum Leidwesen der GEMA ungemein öffentlichkeitswirksam. So haben bereits Hunderttausende eine vom Dehoga initiierte Onlinepetition gegen die Tarifreform unterzeichnet, fand im Juni in Berlin eine Demonstration statt und wurde Anfang Juli bundesweit in hunderten Diskotheken für fünf Minuten die Musik abgestellt.

Längst ist auch die Politik auf den Plan getreten. So fordert der Berliner LINKE-Vorsitzende, Klaus Lederer, eine »Taskforce Clubkultur«. Die Grünen wollen einen Runden Tisch mit GEMA und Veranstaltern. Und alle im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien haben in einem Antrag an den Senat einen Interessenausgleich zwischen Wirtschaft, Vereinen und Kulturschaffenden gefordert.

Die GEMA ist laut Sprecher Hempel durchaus zu Verhandlungen, Runden Tischen und auch zu Kompromissen bereit. Hempel erinnert aber daran. dass es der Gaststättenverband war, der die Verhandlungen mit den Verwertern abgebrochen hat. »Wir können uns nur verständigen, wenn es einen Gesprächspartner gibt«, unterstreicht Hempel. Gleichzeitig stellt er in Aussicht, dass Änderungen der Tarife, Ausnahme- und Härtefallregelungen und auch eine Übergangsfrist nicht ausgeschlossen sind - sollte es denn nochmals zu Gesprächen kommen.

Um das zu gewährleisten, müssen nun alle Seiten aufpassen, im Eifer des Gefechts nicht über das Ziel hinauszuschießen. So sollte einerseits die GEMA ihre angekündigte Kompromissbereitschaft auch im eigenen Interesse in die Tat umsetzen. Denn berechtigt oder nicht: Die aktuelle Debatte ist ein Image-GAU für die Verwerter. Andererseits müssen die (durch das Abspielen von Musik) teils millionenschweren Clubbetreiber ihre Märtyrerposition verlassen und auf unqualifizierte Anwürfe gegen die GEMA verzichten. Denn man kann die Verwerter noch so oft als »sture Monopolisten« verunglimpfen. Sie erfüllen nichts anderes als ihren Auftrag: für die Dichter und Komponisten, die sie vertreten, die besten Konditionen zu verhandeln. Und genau das sollten nun alle Beteiligten wieder anstreben: Verhandlungen.

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