Unbequem und ehrlich
Bernd Schröder - Trainerikone von Turbine Potsdam - ist seit Sonntag 70 Jahre alt, aber noch lange nicht am Ende
Auf eine stocksteife Feier mit Honoratioren und Lobhudeleien hatte Bernd Schröder so gar keine Lust. »Wir machen überhaupt nichts. Es wird keinen Empfang oder Ähnliches geben. Das muss ich mir nicht antun. Ich bin gar nicht im Lande, ich fahre mit meiner Frau weg«, sagte der Trainer der Fußballerinnen von Turbine Potsdam mit Blick auf seinen 70. Geburtstag am Sonntag: »Ende August wird mit den mir Nahestehenden was gemacht. Das sind Leute, die mich leiden können. Das sind nicht allzu viele, da bin ich realistisch. Vielleicht sind aber Theo Zwanziger und Bundestrainerin Silvia Neid auch dabei.«
Der gebürtige Travemünder, der mit Potsdam zweimal den Europapokal, sechsmal die gesamtdeutsche Meisterschaft, sechsmal die DDR-Meisterschaft und dreimal den DFB-Pokal holte, bleibt sich auch im hohen Traineralter treu. Unbequem und ehrlich wie immer ließ Schröder keinen Zweifel daran, was er von offiziellen Feierlichkeiten hält. »Solche Empfänge sind doch auch immer scheinheilig. Viele Leute können einen gar nicht leiden. Wenn man ein bisschen polarisiert, wird man immer gleich als Nörgler wahrgenommen. Dabei geht es mir immer nur um die Sache«, äußerte der Träger des Bundesverdienstkreuzes: »Die Orden und die Ehrenzeichen bringen oft nur Neid ein.«
Den Neid hat sich der im Erzgebirge aufgewachsene Schröder, der in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den Reservemannschaften von Lokomotive Leipzig als Torwart aktiv war, allerdings redlich verdient. Schließlich wird der studierte Montanwissenschaftler, der 1971 das Traineramt in Potsdam übernommen hatte, im September in seine 42. Saison gehen. Die Geburtstagswünsche Schröders, der die DDR-Frauenauswahl bei ihrem einzigen Länderspiel am 9. Mai 1990 gegen die Tschechoslowakei (0:3) betreute, drehen sich deshalb ausschließlich um sein Lebenswerk. »Ich wünsche mir, dass wir in Potsdam zusammenbleiben als Team. Wir sind eine große und wunderbare Sportfamilie. Ich bin mir ganz sicher, dass ich woanders nicht diesen Erfolg gehabt hätte«, äußerte Schröder, der zwischen 1992 und 1997 von der Trainerbank zwischenzeitlich ins Managerbüro von Turbine gewechselt war: »Der Meistertitel oder ein Erfolg in der Champions League wären natürlich auch nicht schlecht, bevor ich in die Gruft steige.«
Die Vorzeichen für weitere Erfolge stehen nach Ansicht Schröders, der im Mai mit der vierten Potsdamer Meisterschaft in Folge einen Rekord aufstellte, nicht schlecht. »In meinem Umfeld sind viele junge Leute, die mir die Meinung sagen. Wenn die merken, dass der Steuermann vom Kurs abkommt, sagen sie mir Bescheid«, meinte der Coach: »Man trägt Verantwortung. Da ist es wichtig, dass man von loyalen und ehrlichen Leuten den Spiegel vorgehalten bekommt. Wenn das nicht mehr der Fall ist, muss man aufhören.«
Da Schröder nach wie vor seinen Mitstreitern vertraut, denkt der Trainer aber noch nicht an das Rentnerdasein. »Noch ist der gewisse Respekt vor mir da. Außerdem braucht man ja Leute, an denen man sich reiben kann«, äußerte der frühere Abteilungsleiter eines Energieunternehmens: »So lange Alex Ferguson (Trainer von Manchester United) und Ulli Wegner (Boxtrainer, Anm. d. Red.), die beide ein paar Monate älter sind als ich, weitermachen, muss ich ja auch weiterarbeiten.«
Mit der Arbeit im Vorfeld der kommenden Saison hat Schröder bereits am 9. Juli begonnen. Dreimal täglich bittet er seine Spielerinnen zum Training, damit am 2. September beim Aufsteiger VfL Sindelfingen die ersten Punkte eingefahren werden. Obwohl Potsdam die Abgänge der Nationalspielerinnen Babett Peter, Viola Odebrecht und Bianca Schmidt verkraften muss, hat Schröder den Titelgewinn als Ziel ausgerufen: »Natürlich sind wir schlechter aufgestellt. Aber wir haben immer als Mannschaft funktioniert. Und wir haben wieder eine gute Mannschaft - auch vom Charakter her.«
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