Die Flamme aus dem Helikopter

Das Olympische Feuer wird nun mehrere Tage durch die britische Hauptstadt getragen

  • Thomas Häberlein, SID
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Olympische Feuer ist in London. Zeit für Bürgermeister Boris Johnson, von den Gastgebern ein bisschen Olympia-Enthusiasmus einzufordern.

Es sah so aus, als werde gerade der neue »James Bond« gedreht. Über dem Tower von London am Ufer der Themse knatterte ein Helikopter, ein Sea King der Royal Navy. Pünktlich um 20.12 Uhr seilte sich Martyn Williams, Soldat der britischen Armee, mit einer Laterne aus etwa 60 Metern Höhe ab, hinunter in die imposante Festung Ihrer Majestät, deren Bau William der Eroberer im Jahre 1078 angeordnet hatte. Nach einer Reise von rund 12 900 Kilometern durch Britannien war die Olympische Flamme am Freitagabend endlich in London angekommen.

Seit Sonnabend wird das Feuer nun kreuz und quer durch London getragen. Die erste Station am Sonntagmorgen war das London Eye. Amelia Hempleman-Adams, 17 Jahre alt und jüngster Mensch, der mit Skiern den Südpol erreicht hat, fuhr auf dem Dach einer der Kabinen des Riesenrads, die Fackel in der Hand. Lennox Lewis, der Boxer, war als letzter Läufer des Tages vorgesehen. Am Freitag, dem Tag der Eröffnungsfeier, wird die Route in Hampton Court beginnen, dem Palast von Heinrich VIII. Dabei soll es auch durch den bekannten Irrgarten gehen.

Boris Johnson, der Bürgermeister von London, platzte am Freitag beinahe vor Stolz, als die Flamme die Stadt erreicht hatte. Er mag sich gedacht haben: Endlich ist Olympia angekommen, vielleicht breitet sich nun auch ein Feuer der Begeisterung aus. Die Spiele haben schließlich in den vergangenen Tagen eine Menge negativer Schlagzeilen verursacht: Pannen am Flughafen, eine überforderte Sicherheitsfirma, mieses Wetter, Mängel beim Transport und dazu noch der für Donnerstag angedrohte Streik der Grenzbeamten und Zugführer.

»Wenn sie durch die Stadt sprintet«, sagte Johnson ein wenig schwülstig über die olympische Flamme, »wird ihre Ausstrahlung die letzten verbliebenen Wolken der Klammheit und der Angst vertreiben.« Diese Fackel werde »das Buschfeuer der olympischen Begeisterung über die ganze Stadt verbreiten«, behauptete der Bürgermeister. Ein Flächenbrand ist nun noch nicht entstanden, aber die neueste Umfrage eines Meinungsforschungsinstituts ergab: 71 Prozent der Briten glauben, Olympia werde die allgemeine Stimmung heben.

Johnson versicherte, London sei gut vorbereitet, wahrscheinlich besser als jede andere gastgebende Stadt zu diesem Zeitpunkt. »Was wir jetzt sehen«, sagte er, »ist so eine Art Lampenfieber, ehe der Vorhang hochgeht.« Der Pessimismus, die Zweifel, die Olympiaskepsis - all dies, glaubt der Bürgermeister, »brauchen wir aus psychologischen Gründen, wir legitimieren und intensivieren so den Enthusiasmus, der in dieser Woche ausbrechen wird.« Es muss also erst alles schlechtgeredet werden, damit die Begeisterung dann umso größer werden kann?

Am Wochenende jedenfalls zeigte sich die Stadt von ihrer besten Seite. Bis weit in die Abendstunden hinein saßen die Londoner vor Restaurants oder Cafés, die Temperaturen lagen selbst nach Sonnenuntergang bei 20 Grad. Die Aussichten für die kommenden Tage sind verblüffend gut: Bis einschließlich Donnerstag ist so etwas wie Hochsommer zu erwarten: Sonnenschein, Temperaturen bis 29 Grad im Schatten. Selbstverständlich wird es am Freitag pünktlich zur Eröffnungsfeier dann wieder typisch britisch: Es besteht das »Risiko schwerer Regenschauer«.

Am Flughafen Heathrow, dem Nadelöhr für die meisten Athleten und Besucher, ging am Wochenende anscheinend alles glatt. Dutzende freiwillige, freundliche Helfer waren wie versessen darauf, einen guten Eindruck zu machen und den Ankommenden zur Seite zu stehen. Der Härtetest für Heathrow folgt am Dienstag, wenn es am geschäftigsten Airport Europas richtig rund gehen soll. Am Mittwoch wird es dann auf den Straßen eng werden. Dann werden die sogenannten Olympic Lanes für den normalen Verkehr gesperrt.

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