Draghi bewegt sich nicht
EZB-Rat will Ankäufe von Staatsanleihen prüfen / Zins bleibt unverändert
Mario Draghi hatte die Erwartungen selbst befeuert. Letzten Donnerstag hatte er noch verkündet, alles daran zu setzen, um den Euro zu retten. Es hätte genug sein sollen. Prompt sprudelten die Gerüchte. Von Aufkäufen weiterer Staatsanleihen war die Rede, zusammen mit dem Eurorettungsfonds EFSF. Auch direkte Anleihenkäufe von Krisenstaaten waren im Gespräch.
Die Worte von Mario Draghi klangen nun sehr viel zurückhaltender. Die EZB wolle in den nächsten Wochen prüfen, in welchen Rahmen Staatsanleihen aufgekauft werden könnten, so Draghi. Offenbar wurde er von seinen Gegnern im EZB-Rat zurückgepfiffen, die bei weiteren Staatsanleihenkäufen die Rolle der EZB als Währungshüterin verletzt gesehen hätten. Denn Draghi betonte mehrmals, dass die möglichen Aufkäufe im bestehenden Mandat der EZB geschehen sollten. Die Zentralbank könne nicht die Rolle der Politik ersetzen.
Erste Reaktionen auf diese Vertagung der Entscheidung kamen bereits aus der Opposition: Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Wolfgang Strengmann-Kuhn, schrieb via Twitter: »Gut so.« Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, sprach sich gegen mögliche Anleihenkäufe aus. Stattdessen müssten Regierungen und Politik »das Heft des Handelns wieder in die Hand nehmen«.
So sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier, Kanzlerin Angela Merkel treibe die EZB in ein weiteres Aufkaufprogramm, »statt für Europa zu kämpfen«.
Auch die stellvertretende Vorsitzende der LINKEN, Sahra Wagenknecht, ist gegen weitere Aufkäufe: »Die Wiederaufnahme der Anleihekäufe durch die EZB bringt keine Lösung der Krise, sondern würde die Lage höchstens für kurze Zeit und nur zum Schein beruhigen«, so Wagenknecht.
Einzig der Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav Horn, sprach sich für weitere Aufkäufe aus, »weil die EZB als einzige Institution über unbegrenzte Mittel verfügt«.
Die Reaktion der Börsen ließ unterdes nicht lange auf sich warten: Der Dax sank am Donnerstag um zwei Prozent und der Euro fiel von 1,24 auf unter 1,22 Dollar. Seiten 4 und 9
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.