Kurzes erstes Mal
Die Saudi Wojdan Shaherkani schrieb Geschichte
Diese Geschichte wollte niemand verpassen. Die Pressetribüne in der Halle Nord 2 des Excel Exhibition Centers von London war noch nie so prall gefüllt wie am Freitagmorgen kurz nach zehn. Wojdan Shaherkani betrat den Tatami unter großem Jubel der Zuschauer. Endlich war es soweit: Die erste Frau aus Saudi-Arabien nahm ihren Olympischen Wettkampf auf.
Der dauerte schließlich gerade einmal eine Minute und 22 Sekunden. Dann hatte Melissa Mojica aus Puerto Rico ihre berühmte Gegnerin, über die man doch so wenig weiß, schon auf die Schultern geworfen, und es begann ein Wettlauf hunderter Medienvertreter um die besten Plätze in der Mixed Zone. Shaherkanis Gang durch diese Gasse dauerte dann auch um einiges länger als ihr Kampf auf der Matte, bei dem sie hoffnungslos unterlegen war. »Ich hatte ziemlich viel Angst wegen all der Leute hier«, sagte sie schließlich nicht nur gegenüber »nd«. Ich habe verloren, weil ich noch so unerfahren bin. Das waren meine ersten Olympischen Spiele.« Die letzte Information hätte sie sich sparen können. Schließlich war genau deswegen jeder gekommen.
Sport wird Frauen im tief religiösen islamischen Königreich Saudi-Arabien noch immer in den allermeisten Fällen verwehrt. Shaherkani profitiert von ihrem Vater, der - selbst lange Zeit Judoka - ihr das Kämpfen irgendwann beibrachte. Er selbst hatte im Vorfeld der Spiele noch einmal für Aufregung gesorgt, da er seine Tochter nicht ohne Kopftuch hatte starten lassen wollen. Letztlich konnte man sich im Streit mit dem Weltverband aber doch noch auf ein Modell einigen.
Shaherkani spricht nur arabisch, daher übersetzte Hani Kamal Najm für sie. Und der Präsident des nationalen Verbands dichtete hier und da noch fleißig dazu. Sprach die Athletin einen Satz, wurden es bei ihm vier. »Ich bin sehr aufgeregt. Das war die Chance meines Lebens. Sicher ist die saudi-arabische Judoföderation sehr froh darüber, dass es möglich war, hier her zu kommen. Hoffentlich ist das der Beginn einer größeren Beteiligung von Frauen auch in anderen Sportarten«, hieß es dann. Was Shaherkani davon wirklich sagte, blieb ungewiss. Möge sie - oder er - trotzdem Recht behalten.
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