Chance für die Kleinen
Thüringens Kommunen haben grünes Licht für den Rückkauf ihrer Energieversorgung
Bisher hielt die Kommunale Energiebeteiligungsgesellschaft Thüringen AG (KEBT), in der rund 900 Thüringer Gemeinden zusammengeschlossenen sind, einen Anteil von 47 Prozent am Energieversorger E.on. Nicht beteiligt sind Erfurt, Gotha, Jena und Suhl, die eigene kommunale Stadtwerke betreiben. Die E.on Thüringer Energie AG hat rund 600 000 Kunden in Thüringen und Sachsen. Sie verbuchte im vergangenen Jahr 1,35 Milliarden Euro Umsatz und 100 Millionen Euro Gewinn.
»Das hätte ich vor einem Jahr nicht einmal zu träumen gewagt«, sagt Bodo Ramelow, Chef der Thüringer Linksfraktion über die Chance zur Rekommunalisierung: »Damit würden wir das größte Gemeindewerk Deutschlands errichten und hätten die Chance, zum Bundesland Nr. 1 der regenerativen Energien zu werden.« Nun müsse dieser Schritt mutig vollzogen werden. Einiges deutet darauf hin, dass den Entscheidungsträgern im Freistaat die historische Chance einer Rekommunalisierung der Stromnetze bewusst ist. Die CDU-SPD-Landesregierung steht offenbar unter dem Druck, den Prozess zu fördern. Die KEBT-Hauptversammlung hat im Juli mit großer Mehrheit grünes Licht für Verkaufsverhandlungen gegeben.
Auf dem Wege zum Mega-Gemeindewerk müssen allerdings noch etliche Stolpersteine beiseitegeräumt werden. So ist ohne Mitwirkung der Stadtwerke und Kommunen ein landesweites Gemeindewerk nicht vorstellbar. Mit ihnen und mit finanzieller Rückendeckung der Landesregierung - etwa durch Landesbürgschaften - könnte eine Bietergemeinschaft zustande kommen, die mit der Konzernzentrale auf gleicher Augenhöhe verhandeln kann. Private Anbieter und Hedgefonds, sollten sie ein Auge auf die Thüringer Stromnetze geworden haben, sind derzeit ohne Chance, weil die Kommunen am Zuge sind. »Erst wenn das Vorkaufsrecht vergeigt würde, könnte es zu Problemen kommen«, mahnt Ramelow. Gelänge der Handel jedoch, so wäre die Tür geöffnet für eine aktive Kommunalwirtschaft und eine endgültige »Abkehr vom jahrzehntelangen Privatisierungskult«. Dies könne auch über Thüringen hinaus ein Zeichen setzen.
Die erhoffte Rekommunalisierung bildet für Ramelow die Grundlage dafür, dass »keine Netzeinspeisung mehr diskriminiert wird«. Mit der ungehinderten Entfaltung vieler dezentraler erneuerbarer Energiequellen etwa auf der Basis von Wind, Wasser, Sonne, Erdwärme oder Biogas könnte Thüringen Stück für Stück unabhängiger vom Energieimport werden, ist der Fraktionschef überzeugt. Derzeit kommen 80 Prozent des Thüringer Stromverbrauchs von außen. Mit dem gezielten Aufbau neuer Energiequellen ließe sich Jahr für Jahr der Anteil der Eigenproduktion kontinuierlich erhöhen und ein Kapitalstock aufbauen, der in der Region verankert ist. In die Finanzierung ließen sich Sparkassen, Volksbanken und Wohnbaugenossenschaften und öffentliche Pensionskassen einbeziehen. »Eine sichere Anlagemöglichkeit für Kleinsparer«, ist Ramelow überzeugt: »Auch CDU-Bürgermeister merken, dass die Kommune mit Windkraft Geld verdienen kann.«
Dass der Freistaat mit vielen kleinen Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien sogar Energie in benachbarte Bundesländer exportieren könnte, meint auch Manfred Hellmann, energiepolitischer Sprecher der Thüringer Linksfraktion. Als ehrenamtlicher Bürgermeister von Viernau im Thüringer Wald ist er mit dem Aufbau lokaler Solanranlagen ein Pionier der kommunalen Energiewende geworden. Hellmann kritisiert die überdimensionale Förderung von Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee. Diese dienten nur dazu, die Monopolstellung der Energiekonzerne abzusichern und Marktanteile der neuen dezentralen Energieträger zu beschneiden. Sein Konzept sind »kleine Solarparks und Windparks in jeder Gemeinde, die als Mischung richtige Kraftpakete ergeben«.
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