Mehr Kontrolle, mehr Transparenz
Spitzentreffen zur Organspende zog wenig Konsequenzen
Die gestrige Sitzung im Bundesgesundheitsministerium folgte den unklaren Transplantationsvorgängen in zwei deutschen Kliniken, die in den letzten Wochen Schlagzeilen machten. Manipulationsvorwürfe an Mediziner hatten Ärzteschaft, Bevölkerung und Aufsichtsbehörden gleichermaßen verunsichert. Nachdem immer mehr Einzelheiten der Organsuche und -vergabe in einigen Transplantationszentren ans Licht kamen, wurden Forderungen nach mehr Transparenz und staatlicher Kontrolle laut. Die Zahl von 50 vorhandenen Transplantationszentren wurde von Experten ebenso in Frage gestellt wie die Tatsache, dass eine verstärkte Kontrolle von der Ärzteschaft selbst oder den Kliniken vorgenommen werden soll - Organisationen also, die bisherige Probleme verursacht oder verschwiegen hatten.
Nach der gestrigen Besprechung ist klar: Eine Neuorganisation der Organspende in Deutschland ist offenbar nicht geplant. Die Rede ist lediglich von mehr staatlicher Aufsicht, um Manipulationen künftig zu erschweren. Kontrolle, Aufsicht und Transparenz sollen verbessert und die Landesbehörden stärker in Inspektionen in den Kliniken einbezogen werden. »Die Ankündigungen schärferer Kontrollen durch die Gremien der Ärzteschaft selber sind angesichts jahrelangen Schweigens nicht besonders glaubwürdig«, findet die stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Kathrin Vogler von der LINKEN. »Schließlich wussten die Prüfungs- und Überwachungskommissionen bei der Bundesärztekammer schon lange von den Vorfällen. Doch erst als die Presse davon Wind bekam, bewegte sich die Ärztekammer langsam.« Nach Ansicht der Gesundheitsexpertin kann die Kontrolle über Organspenden nicht allein der Ärzteschaft anvertraut werden. Weil es bei der Zuteilung von Organen um Leben oder Sterben ginge, müsse der Staat hier für Gerechtigkeit sorgen. Voglers Vertrauen in die Kompetenz und Transparenz der ärztlichen Kontrollgremien ist erschöpft. Regelmäßig werde nur zugegeben, was der Öffentlichkeit schon bekannt ist. Aus einem Brief der Ärztekammer gehe hervor, dass man auch den Parlamentariern nicht regelmäßig und vollständig, sondern lediglich exemplarisch Einblick in die Organspendeprüfberichte geben wolle. »So kann es nicht weitergehen. Nur mit einer staatlichen Aufsicht kann Licht in das Transplantationsgeschehen gebracht werden«, so Vogler vor dem gestrigen Spitzengespräch.
Die Runde verständigte sich gestern darauf, die Prüfungskommission der Bundesärztekammer zu verstärken. Deren Prüfberichte sollen veröffentlicht werden. Die Kliniken sollen eigene Kontrolleure einsetzen, um die Entscheidungen der Transplantationsmediziner zu prüfen und zu dokumentieren. Man sei sich einig, dass für mehr Transparenz und Kontrollen »keine neue Superbehörde« notwendig sei, sagte Bahr. Er wandte sich damit gegen Forderungen von Patientenschützern und Kritikern, die Organspende ganz in staatliche Hände zu legen. An diesem Dienstag will sich der Gesundheitsminister mit den Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen treffen.
An Kliniken in Regensburg und Göttingen sollen Daten zum Vorteil bestimmter Patienten manipuliert worden sein, die auf ein Spenderorgan warteten. Nach Angaben der Bundesärztekammer hat es in den Jahren 2000 bis 2011 bei Organverpflanzungen insgesamt 31 Verstöße gegen die Richtlinien gegeben, wovon 21 an staatliche Behörden oder andere Institutionen weitergemeldet wurden. Bei 50 700 Transplantationen gab es 119 Auffälligkeiten. Die Erkenntnisse gehen auf Stichproben zurück. Die Bundesärztekammer veröffentlichte den Bericht am Montag, nachdem sie sich zuvor geweigert hatte. Unter den 21 Vorfällen sind auch die Manipulationen am Regensburger Transplantationszentrum.
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