Kampf um Liegenschaften schwelt weiter
SPD-Fraktion will Direktvergabe von Grundstücken erreichen, der Senat zeigt sich gesprächsbereit
Der Streit um den Verkauf landeseigener Grundstücke zwischen Finanzsenator und SPD-Fraktion schwelt weiter. Galt bisher in Berlin faktisch der Grundsatz, dass der höchstbietende Investor zum Zuge kommt, hat die SPD-Fraktion nun am Dienstagabend beschlossen, dass bis zu einer neuen Beschlussfassung zur Liegenschaftspolitik erst einmal ein »grundsätzliches Preismoratorium« gilt. »Das haben die Abgeordneten einmütig entschieden«, sagt SPD-Fraktionssprecherin Claudia Stäuble. Fraktionschef Raed Saleh hatte erklärt: »Uns ist es wichtig, von der Praxis der Höchstpreisverkäufe abzurücken.« Fraktion und Senat wollen nun in den kommenden Wochen im Arbeitskreis Stadtentwicklungspolitik diskutieren, wie eine neue Liegenschaftspolitik, die auch soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt, aussehen könnte. Bis dahin dürfen keine Grundstücke des Landes Berlin verkauft werden.
Ganz neu ist das Ansinnen indes nicht: Bereits vor zwei Jahren hatte sich noch unter Rot-Rot die Koalition auf Grundstücksverkäufe nach stadtentwicklungspolitischen Kriterien verständigt. Auch im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU heißt es, dass der Senat die »Liegenschaftspolitik neu ausrichten« will. Und zwar stärker orientiert an »stadtentwicklungs-, wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Zielen«. Doch passiert ist bisher nichts. Denn Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) blockierte quasi die Neuausrichtung aus finanzpolitischen Gesichtspunkten im Senat. Allein in diesem Jahr sollen 100 Millionen Euro aus Grundstücksverkäufen für den Berliner Haushalt generiert werden. Dass nun neben SPD-Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) auch die Fraktion sowie der Landesverband der Sozialdemokraten Druck für eine neue Liegenschaftspolitik macht, hinterlässt jedoch offenbar auch Eindruck bei Nußbaum selbst. Der hat als Finanzsenator das letzte Wort beim Verkauf landeseigener Liegenschaften.
In der »rbb-Abendschau« zeigte sich Nußbaum nach der Fraktionssitzung gegenüber dem Vorhaben gesprächsbereit. Er erwarte in ein bis zwei Wochen einen Senatsbeschluss zur Liegenschaftspolitik, sagte Nußbaum. Sollten Grundstücke kostengünstig abgegeben werden, dann wolle er vom Investor »günstigen Wohnraum mit sozialen Mieten« sehen. Die Gegenleistung für Landesvermögen muss dann stimmen, so der oberste Finanzverwalter der Stadt.
Ob die Neuregelung der Liegenschaftspolitik auch den Machern des »Kater Holzig« zugutekommt, ist allerdings unklar. An dem Verkauf des BSR-Grundstücks in der Friedrichshainer Holzmarktstraße, auf dem einige Jahre die legendäre »Bar25« residierte, hatte sich der Streit um den Verkauf städtischer Liegenschaften vor kurzem neu entzündet. Ein Teil der alten »Bar25«-Crew betreibt inzwischen das »Kater Holzig« auf der anderen Spreeseite. Nur zu gern würden die Macher des »Kater Holzig« jedoch an ihren alten Standort in der Holzmarktstraße zurückkehren, um dort ein genossenschaftliches Modelldorf mit Club, Theater und Wohnungen zu errichten. Für dieses Projekt haben sich jüngst auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh sowie SPD-Landeschef Jan Stöß in die Bresche geworfen. Freilich ohne offenbar zu wissen, wer sich bei der BSR noch für das Grundstück beworben hat. Denn ob die einzige Alternative schnöde Bürotürme sind, ist öffentlich nicht bekannt.
Vom »Kater Holzig« selbst gibt es zurzeit jedenfalls gar »keinen Kommentar« mehr zum Bieterverfahren des Spreegrundstücks, wie Kater-Betreiber Christoph Klenzendorf gegenüber »nd« betont. Auch bei der landeseigenen BSR, die das Grundstück anbietet, hält man sich bedeckt. »Das Bieterverfahren ist beendet, wenn der Bieter den Zuschlag bekommt«, sagt BSR-Sprecherin Sabine Thümler. Etwas anderes als an den Meistbietenden zu vergeben, kommt für die BSR allerdings gar nicht infrage, schließlich würde sich der Vorstand ansonsten des Straftatbestandes der Veruntreuung gegenüber den Steuerzahlern schuldig machen. Von einem Wechsel der Liegenschaftspolitik ist Berlin also, allen Lippenbekenntnissen von SPD-Politikern zum Trotz, noch weit entfernt.
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