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Die Friedenstaube in Teheran

Die Bewegung der Nichtpaktgebundenen auf der Suche nach ihrer Daseinsberechtigung im 21. Jahrhundert

  • Hilmar König
  • Lesedauer: 3 Min.
In der iranischen Hauptstadt Teheran findet gegenwärtig die 16. Konferenz der Bewegung der nichtpaktgebundenen Staaten (NAM) statt. Dabei treffen sich Staats- und Regierungschefs von allen Kontinenten. Während der Zeit des Kalten Krieges spielten die Nichtpaktgebundenen eine stabilisierende Rolle. Seit dem Ende der Ost-West-Konfrontation sind andere Aspekte in den Vordergrund getreten, denen sich die Bewegung stellen muss.

Die fast neun Millionen Einwohner beherbergende Metropole am Fuße des Elburs-Gebirges trägt Festtagsschmuck: Die Flaggen der Teilnehmerländer setzen frische Farbtupfer ins Stadtbild. Das Logo des 16. Gipfels - eine Friedenstaube mit mehrfarbigem Olivenzweig im Schnabel flattert vor der Weltkugel - ist vielerorts ebenso präsent wie das Motto, unter dem dieses Treffen steht und das den Wunsch aller Nationen ausdrückt: »Nachhaltiger Frieden«. Über dieses Thema werden aus aktuellem Anlass - erwartet werden etwa 40 Staats- oder Regierungschefs, dazu zahlreiche Minister, Parlamentspräsidenten und Sonderbotschafter - gewiss kontrovers debattieren.

Außer den 120 NAM-Mitgliedern nehmen an dem Treffen UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon sowie 17 Länderdelegationen mit Beobachterstatus teil, darunter die VR China. Russland wurde von Teheran als Sondergast eingeladen.

Noch nie in Irans Geschichte gab es eine derart repräsentative Veranstaltung. Vertreter von über der Hälfte der Weltbevölkerung sitzen in den Beratungsgremien. Zweifellos will die vom Westen geschmähte Führung in Teheran diese einmalige Chance nutzen, ihr Prestige aufzumöbeln., die drohende Isolierung zu vermeiden und Wege gegen die auf Grund des Atomprogramms verhängten Sanktionen zu sondieren. Immerhin übernimmt Iran von Ägypten für drei Jahre die Führung der NAM.

Die Bewegung der Blockfreien blickt auf eine über 50-jährige Geschichte zurück. Sie war in den 50er Jahren entstanden, als einerseits nationale Befreiungsbewegungen das Ende der Kolonialära einläuteten und andererseits nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges der Kalte Krieg zwischen Ost- und Westblock das internationale Geschehen zu bestimmen begann. Weitsichtige Politiker wie die Präsidenten Jawaharlal Nehru (Indien), Gamal Abdel Nasser (Ägypten), Ahmed Sukarno (Indonesien), Kwame Nkrumah (Ghana) und Josip Broz Tito (Jugoslawien) suchten nach einem »dritten Weg« an den Blöcken vorbei. Ihre Leitlinien, die später zur Grundlage der NAM wurden, orientierten sich an den fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz - gegenseitige Achtung der Integrität und Souveränität; gegenseitiger Verzicht auf Aggression; Nichteinmischung in innere Angelegenheiten des anderen; gleicher und gegenseitiger Nutzen und eben friedliches Miteinander.

1961 fand in Belgrad der Gründungsgipfel statt. Seitdem wuchs die Mitgliederzahl, zugleich die Vielfalt und damit auch das Konfliktpotenzial. Die postulierte Einheit, um in der internationalen Arena Schlagkraft zu gewinnen, existierte in der Praxis nie. Monarchien, Diktaturen, demokratisch-parlamentarisch oder religiös ausgerichtete, sozialistisch orientierte und neokolonialistisch ausgebeutete Staaten ließen sich nicht auf einen Nenner bringen. Ja, NAM-Mitglieder wie Irak und Iran oder Indien und Pakistan bekriegten sich. Heutzutage befinden sich viele von ihnen im Schlepptau des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, sind zwar nominell nichtpaktgebunden, doch ansonsten abhängig von den USA.

So wird immer wieder die Frage nach der Relevanz der Bewegung der Nichtpaktgebundenen gestellt, besonders seit der Desintegration der UdSSR und des Ostblocks, die Kubas Staatschef Fidel Castro 1979 auf dem 6. Gipfel in Havanna noch als »natürliche Verbündete« der NAM bezeichnet hatte. Er war es auch, der die Bewegung wie kein anderer charakterisiert hatte. Ihr Sinn sei die Gewährleistung der »nationalen Unabhängigkeit, Souveränität, territorialen Integrität und Sicherheit der nichtpaktgebundenen Staaten in ihrem Kampf gegen Imperialismus, Kolonialismus, Neokolonialismus, Rassismus und alle Formen äußerer Aggression, Okkupation, Dominierung, Einmischung oder Hegemonie wie auch gegen Großmacht- und Blockpolitik«. Bis heute sind das zwar hehre, aber von Anfang an nicht von allen Mitgliedern ernst genommene Aufgaben geblieben.

Inzwischen haben im Zeitalter der Globalisierung, neoliberaler Offensiven, globaler Finanz- und Wirtschaftskrisen oder des Klimawandels sozialökonomische und wirtschaftliche Aspekte an Gewicht gewonnen. Der weltweite Kampf gegen Armut, das Ringen um nachhaltige Entwicklung, die Millennium-Entwicklungsziele und die Süd-Süd-Kooperation beschäftigen die Bewegung der Nichtpaktgebundenen mehr als je zuvor. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob der Gipfel in Teheran dazu Konstruktives und Praktikables beitragen kann.

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