»Du bist hier, ich lebe gern«
Ein Foto erzählt: Hans Kahle und die Geschwister Mann in Spanien
Die engagierten Hitlergegner Erika und Klaus Mann sind am 22. Juni 1938 von Paris in das um seine Freiheit kämpfende Spanien aufgebrochen. Ihr Weg führte sie von der südfranzösischen Grenzstadt Perpignan zunächst per Zug nach Barcelona und von dort mit dem Flugzeug weiter nach Alicante, Valencia, Tortosa und schließlich nach Madrid. Im Auftrag der »Pariser Tageszeitung« besuchten sie Volksfrontspanien in einer Zeit härtester Schlachten, wohl wissend, was das bedeutet. Ein Erlebnis der Gefahr, dazu zwingend, eigene politische Positionen zu überprüfen.
Es war der Vorabend der Ebro-Schlacht. Die Manns wollten ein Zeichen solidarischer Verbundenheit setzen. Worum es in diesem Krieg ging, wussten die Flüchtlinge aus Nazideutschland nur zu gut. Im Essayband von Klaus Manns, »Das Wunder von Madrid«, liest man: »Schwer geprüft ist die große Stadt Barcelona; Furchtbares hat Valencia auszustehen. Aber die härteste Prüfung war Madrid vorbehalten. Dort liegt unser Feind …«
Spanien gab den Manns eine neue Vorstellung von der Willkür und Dimension faschistischen Terrors. Deshalb musste die Bestie in Spanien bezwungen werden. Die Manns übersahen freilich nicht die Crux: In jedem Krieg leidet das Volk. Zugleich lag in der beispielhaften Verteidigung der Republik eine große Hoffnung. Erika Mann sprach vom »Wunder der antifaschistischen Einheit«. Erschütterung paarte sich mit der Erfahrung eines »nie wieder zu vergessendem Stück Geschichte«. Die Republikaner, schrieb Erika Mann, »haben die Barbaren zurückgeschlagen in zwölfter Stunde, als beinahe schon alles verloren schien«. Den Krieg indes gewannen dann doch die Barbaren.
Das Spanienerlebnis fand im wohl besten Exil-Roman von Klaus Mann, »Vulkan«, und im »Mephisto« Niederschlag. Bleibenden Eindruck hinterließ die Begegnung mit Oberst Hans Kahle, Kommandeur der XI. Internationalen Brigade, der Thälmann-Brigade, und später Divisionskommandeur in der Volksarmee. Klaus Mann schildert ihn als »weltmännisch versierten, heiter geistvollen Intellektuellen«. Seine Schwester, die eine Affäre mit Kahle in Spanien hatte, widmete ihm gar ein Gedicht: »Lieber Hans, in den Nächten wär ich bitterlich allein, wenn die zärtlichen Gedanken/nicht so häufig/Dein gedächten,/und Dich brächten,/und Du tritts ein …/Du bist hier,/ich lebe gerne,/ und ich liege Dir im Arm …/Gefahr droht unsren Welten,/allem, was wir je geliebt./Ist es bitter, so zu leben?Aber/ herrlich, zu vergelten,/wenn die Stunde sich uns gibt.« Auch Thomas Mann, der Vater der Geschwister, der Briefe eher in einem spröden Stil verfasste, schrieb am Weihnachtstag 1938 warmherzige Zeilen an »General Hans«. Er lud ihn ein, nach Princeton zu kommen, in sein »geräumiges Haus«, und zwar »wann immer und wie lange es immer paßt«, am liebsten »recht bald«. Doch dazu ist es nicht gekommen.
Der 1899 in Charlottenburg geborene Beamtensohn Hans Kahle, im Ersten Weltkrieg Leutnant und seit 1928 KPD-Mitglied, gelangte nach der Verabschiedung der Interbrigadisten 1938 über Frankreich nach Großbritannien. 1940/41 war er als Deutscher in Kanada interniert. Nach seiner Entlassung arbeitete er für verschiedene Zeitungen als Korrespondent. Er gehörte der KPD-Leitung in Großbritannien an und war Mitbegründer der dortigen »Freien Deutschen Bewegung«. Im Februar 1946 nach Deutschland zurückgekehrt, wurde er Chef der Volkspolizei in Mecklenburg und Mitglied der SED-Landesleitung. Er starb vor 65 Jahren, am 1. September 1947, mit nur 48 Jahren in Ludwigslust.
Klaus Mann diente während des Zweiten Weltkrieges in der US-Armee und war an der Befreiung Deutschlands vom Faschismus beteiligt. Am 21. Mai 1949 schied er in Frankreich freiwillig aus dem Leben – verzweifelt über die regressive Nachkriegsentwicklung in Deutschland (West) und die Tatsache, dass die Gründgens und Furtwänglers wieder gefeiert wurden, als sei nichts geschehen. Wer seine letzte Ruhestätte in Cannes besucht, findet auf seinem Grabstein die Worte aus »Lukas 9/24«, das Motto des geplanten und unvollendet gebliebenen Romans »The last Day«: »Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert, wird es retten.« Es ist in englischer Sprache eingraviert, als wollte sich Klaus Mann noch im Tode von diesem Deutschland distanzieren, das ihn vertrieben hat und bis zuletzt enttäuschte.
Erika Mann war im Krieg für die britische BBC und die US-Propagandabehörde Office of War Information tätig. In der Mc Carthy-Ära verließ sie 1952 die USA; sie starb 1969 in Zürich.
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