»Uffsatteln« gegen Nazis
Aktions- und Gedenktag der Antifa am Wochenende, um auf rechte Strukturen hinzuweisen
Antifaschistische Gruppen in Berlin planen für den kommenden Sonnabend einen Aktionstag. »Wir wollen an diesem Tag auf die bekannten rechten Strukturen in der Stadt aufmerksam machen«, sagt Dirk Stegemann von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN/BdA). Hintergrund für die Aktion ist die gestiegene Anzahl der Übergriffe von Rechtsextremisten auf Nazi-Gegner und Büros von Jugendverbänden sowie Parteien.
Erst am vergangenen Wochenende konnte sich ein junger Mann in Niederschöneweide nur knapp vor mehreren rechten Angreifern retten, weil er glücklicherweise Hilfe in einem Imbiss fand. Die Mitarbeiter hielten die Rechten mit einem Dönerspieß in Schach. Wie schon häufiger hatten sich die Neonazis in der Kaschemme »Zum Henker« versammelt, einem örtlichen Treffpunkt der Szene. Dort hatten 20 Rechtextremisten, auch aus anderen Bundesländern, zuvor ein Transparent bei einer unangemeldeten Kundgebung mit der Aufschrift »Solidarität mit unseren Aktivisten« in die Höhe gehalten.
Seit vor kurzem in Nordrhein-Westfalen neonazistische Kameradschaften verboten wurden, kommt es vermehrt zu solchen neonazistischen Aktivitäten – auch in Berlin. Bei den Attacken griffen die Rechten aus dem mutmaßlichen Umfeld des »Nationalen Widerstands Berlin« (NW-Berlin) auch Personen wie den Vizevorsitzenden der Berliner Jusos, Nico Schmolke, oder den BVV-Verordneten der Linkspartei in Treptow-Köpenick, Hans Erxleben, in ihren Wohnhäusern an.
Dass hinter den Übergriffen die Autonomen Nationalisten aus dem Umfeld des »NW-Berlin« stecken, vermuten auch Szene-Experten wie Matthias Müller von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR). »Wir zählen Neonazis aus Lichtenberg, Treptow-Köpenick und Neukölln zu diesem Zusammenschluss«, sagt Müller.
Genau in diesen Gebieten wollen am Sonnabend deshalb auch die lokalen Antifa-Gruppen aktiv werden: Beim NW-Berlin-Stützpunkt in der Lückstraße in Lichtenberg etwa gibt es ab 13 Uhr eine Kundgebung mit Livemusik, Ständen und Infos. Bereits zuvor um 12 Uhr soll erneut gegen den »Thor-Steinar«-Laden in Friedrichshain protestiert werden. Später folgt noch eine Fahrradtour »Uffsatteln gegen Nazis« ab 15 Uhr durch Schöneweide. Der Abschluss des Aktionstages ist dann für 16 Uhr bei einem Hip-Hop-Konzert in Rudow vorgesehen.
Wie in dieser Woche Spitzenpolitiker der SPD, die aus Solidarität angegriffene Büros besuchten, fordern auch die Antifagruppen ein sofortiges Verbot von »NW-Berlin«. »Es gibt genügend Indizien und Hinweise, damit ›NW-Berlin‹ genauso wie der ›Nationalen Widerstand Dortmund‹ verboten werden könnte«, sagt Dirk Stegemann. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) müsse das nur endlich wollen. So sei es unbegreiflich, dass die »NW-Berlin«-Seiten mit ihren sogenannten Feindeslisten von 200 Nazi-Gegnern und Gegnerinnen aus Berlin weiter im Internet erreichbar sind.
Ein weiterer Höhepunkt des Wochenendes wird am Sonntag dann der Tag der Erinnerung und Mahnung sein. Dieser findet in diesem Jahr nicht mehr am Lustgarten in Mitte, sondern auf dem Tempelhofer Feld am Eingang Columbiadamm statt. »Dort«, sagt der Vorsitzende der Berliner VVN-BdA, Hans Coppi, »bewegen wir uns auf historischem Grund, der einen direkten Bezug zu dem Anliegen unserer Veranstaltung hat.« Unweit des Veranstaltungsplatzes, so Coppi, befand sich bis 1936 das berüchtigte KZ Columbiahaus, in dem an die 10 000 Gegner des Naziregimes inhaftiert waren, sowie seit 1939/40 die größte Barackenstadt Berlins, in der tausende Zwangsarbeiter für die Weserwerke und andere Betriebe der Luftrüstung schuften mussten. Zudem wurde das Tempelhofer Feld für die Veranstaltung gewählt, da dort in der Nähe am 9. September 1945 zum ersten Mal der »Tag der Opfer des Faschismus« im Werner-Seelenbinder-Sportpark begangen wurde. Inhaltlich geht es beim Gedenken um das Thema Rassismus. Zu dieser Problematik gibt es eine Podiumsdiskussion. Daneben ist auch für Musik und das leibliche Wohl gesorgt.
Infos zu den Aktionen unter: http://berlin.vvn-bda.org/
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