Der lange Weg zur Chancengleichheit
Der Hochschulsport ist noch nicht barrierefrei
Die Sitzreihen sind so eng, dass kein Rollstuhl durchkommt, die Fahrstühle so abgelegen, dass sie kaum einer findet, und die Professorenräume sind für Menschen mit Behinderung oft gar nicht erreichbar. Diese Art Studienprobleme setzt sich oft im Hochschulsport fort: In der Technischen Universität Berlin etwa muss jeder, der beim Fitnesskurs mitmachen will, durch drei schwere Türen bevor er in den Geräteraum gelangt ist. Es ist offensichtlich: Das ist trotz versprochener Barrierefreiheit leider noch der Regelfall an deutschen Universitäten.
Gerade während in London die Paralympics laufen, wird immer wieder betont, wie wichtig körperliche Betätigung für Menschen mit Behinderungen ist: Sie dient dem Selbstbewusstsein, der Gesundheit - und sie integriert. Behindertensport muss also auch im Breitensport gefördert und überhaupt erst einmal angeboten werden, damit auch Nicht-Profis diese Vorzüge erfahren.
Wie also kommen die Unis ihrem Gleichstellungs- und Integrationsauftrag nach? Auf sehr unterschiedliche Weise. So bietet die Freie Universität Berlin Rollstuhlbasketball, Rollstuhltanz, integratives Rudern und Segeln sowie Skilanglauffreizeiten für Behinderte und Nichtbehinderte an.
Die nicht weit entfernte Uni Potsdam hingegen hat nicht ein einziges Sportangebot für Behinderte. Und das obwohl nach Angaben des Deutschen Studentenwerkes der Anteil von Studierenden mit Behinderungen bei acht Prozent liegt. Es sei ein langer und anstrengender Weg zur Chancengleichheit, sagt auch Harry Baus, Behindertenberater an der Uni Bochum. So müssen beispielsweise Finanzierungshilfen für Extrakosten aller Arten immer wieder vor Gericht eingeklagt werden und man brauche einen langen Atem um Solidarität mit den Benachteiligten zu schaffen.
Die Behindertenbeauftragte der Potsdamer Uni, Irma Bürger, sagt zwar, dass sich »Studierende mit Behinderungen für alle Sportarten interessieren können« und »dann individuelle Absprachen mit den entsprechenden Trainern geführt werden«. Doch sie muss zugeben, dass eben jene Studenten dann meist lieber »ganz privat in verschiedenen Vereinen trainieren.«
Dabei sind die Chancen auf Förderung auch abseits der Hochschulen gering. So beklagt Dirk Tannert, Projektleiter für Kampfkunst & Handicap beim SC Potsdam: »Wir üben auf abgenutzten Matten, weil kein Geld für neues Equipment da ist.« Weiter fragt er: »Worin liegt der Sinn der staatlichen Förderpolitik? Was bringt der Spitzensport für unsere Gesellschaft? Werbeverträge und ein paar Einschaltquoten?«
Tammert sähe den Fokus lieber im Breitensport. «Der bringt Gesundheit, soziale Kontakte, Erfolgserlebnisse und Lebensfreude.« Vielleicht ist das Problem, dass sich solche Dinge nicht so schön feiern gar zählen lassen wie Goldmedaillen.
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