Haushalt mit Milliardenrisiken
Opposition sieht Bundesrepublik schlecht auf Rezessionszeiten vorbereitet
Der Satz, dass »Deutschland gut durch die Krise gekommen ist«, fehlt in kaum einer Rede von Kabinettsmitgliedern im Bundestag. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble meinte in der gestrigen Haushaltsdebatte sogar, dass »unser Land krisenresistenter geworden« sei. Der CDU-Politiker lobte die neoliberalen Strukturreformen der vergangenen Jahre. Deutschland habe inzwischen einen hohen Beschäftigungsstand, niedrigere Arbeitslosenzahlen und sei wettbewerbsfähiger geworden. Auch die am stärksten von der Wirtschaftskrise betroffenen Staaten in Südeuropa haben ähnliche Konzepte zulasten des Sozialstaats übernommen. Der Finanzminister sieht sie deswegen »auf dem richtigen Weg«. Trotzdem werden für die Länder weitere »Hilfszahlungen« notwendig sein. Im Jahr 2013 werden vom Bund voraussichtlich 8,7 Milliarden Euro für den dauerhaften Euro-Rettungsfonds ESM aufgebracht.
Große Spielräume im Etat sieht Schäuble nicht. Die Ausgaben sollen um fast elf Milliarden Euro auf 302 Milliarden Euro gesenkt werden. Allein fünf Milliarden Euro sollen bei den Sozialversicherungen gestrichen werden. Zudem ist laut Haushaltsentwurf, über den der Bundestag voraussichtlich am 23. November abstimmen wird, geplant, dass die Neuverschuldung im kommenden Jahr um etwa 13 Milliarden Euro auf 18,8 Milliarden Euro sinken wird.
Forderungen aus der Opposition, wonach der Staat durch eine stärkere Besteuerung von Spitzenverdienern und Vermögenden Mehreinnahmen generieren könne, erteilte Schäuble eine Absage. Die Bundesrepublik habe kein Einnahmeproblem, behauptete der Finanzminister.
Er musste allerdings einräumen, dass sich die Wirtschaftsentwicklung abschwächt. Hierfür machte der CDU-Mann vor allem Probleme im »weltwirtschaftlichen Umfeld« verantwortlich. Auch Schwellenländer seien inzwischen betroffen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hatte in der vergangenen Woche eine leichte Rezession in Deutschland für das zweite Halbjahr 2012 prognostiziert.
Anders als Schäuble sehen Oppositionspolitiker das Land nicht gut für Krisenzeiten gerüstet. »Niemand hier kann übersehen, ob wir nicht vielleicht ganz schnell in eine große Krise kommen. Und nichts, was dann notwendig wäre, ist in diesem Haushalt abgebildet«, monierte Linksfraktionsvize Dietmar Bartsch. Risiken wie etwa die Zinsentwicklung seien ausgeblendet worden. Auch von soliden Staatsfinanzen und sozialer Gerechtigkeit konnte er nichts erkennen. »In vier Jahren werden von Schwarz-Gelb insgesamt 112,2 Milliarden Euro neue Schulden gemacht«, erklärte Bartsch. Um die Einnahmeseite zu verbessern, forderte er eine Millionärssteuer. Zudem müsse über Veränderungen bei der Erbschaftssteuer nachgedacht werden.
Die Grünen wollen eine bessere finanzielle Vorsorge für Sozialpolitik, Energiewende und Eurokrise. Die Haushaltspolitikerin Priska Hinz kritisierte Mehrausgaben bei der Bundeswehr sowie das geplante Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht in einer Kita betreuen lassen wollen. Dagegen »verstärkt der Etatentwurf die soziale Ungerechtigkeit dadurch, dass bei der Arbeitsmarktpolitik gekürzt wird«, so Hinz. Vom Sparkurs sind Qualifizierungen und Wiedereingliederungsmaßnahmen für Erwerbslose betroffen.
Auch SPD-Fraktionsvize Joachim Poß kritisierte den Finanzminister mit heftigen Worten. Er warf Schäuble »Versagen« bei der Ausübung seines Amtes vor. »Obwohl die Ungleichheit in der Gesellschaft wächst, werden Vermögende und Spitzenverdiener geschont. Bei sozial Schwachen und Arbeitslosen wird gespart«, konstatierte der Sozialdemokrat. Dass seine Partei einst selber diese Politik forciert hatte, verschwieg er.
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