Jenseits von »Dirty Dancing«
Auf Tanzfilme hat sich das Festival »Pool« im Dock 11 spezialisiert
Berlin ist nicht nur eine Tanzmetropole. Sie wird so langsam auch zur Tanzfilmmetropole. In diesem Monat ist das Berliner Choreographenduo tanzApartment mit ihrem auf 32 mm umformatierten einminütigen »50 Shots« ins Vorprogramm einiger hiesiger Kinos gerückt. Und das Dock 11 richtet zum nun bereits sechsten Mal das Tanzfilmfestival Pool aus.
Tanzfilm ist dabei weder als Hollywood-Block-Buster im Sinne von »Dirty Dancing« noch als die pure Abfilmung von choreographischen Arbeiten oder das Einbringen von Videosequenzen in Tanzshows zu verstehen. »Uns interessiert vielmehr der Umgang mit Kameras beim Tanz bis hin zur Bewegung der Kameras selbst«, meint etwa der avancierte Digitalperformer Max Schumacher, der das Dock 11 bei Pool organisatorisch unterstützt. Körper und Objekte, ja ganze Landschaften werden in rhythmische Resonanz zu Klängen und Tönen gebracht. Das kann in Form von Animationsfilmen geschehen, in choreographischen Erzählungen mit Tänzern und in digitalen Nachbearbeitungen, die den Tänzern übernatürliche Fähigkeiten verleihen und in die Richtung der getanzten Graphic Novel aufbrechen können.
Für das aktuelle Festival wurden mehr als 140 Beiträge eingereicht. »Sie kamen von Ostasien bis Südamerika. Das zeigt die internationale Reichweite dieses Festivals. Es sind echte Highlights darunter, vor allem die Tanzfilmszene in Djakarta ist spektakulär«, sagt Arnd Wesemann, Tanzkritiker und einer der drei Jurymitglieder des Festivals. Die besten Arbeiten werden am 14. und 15. September in zwei Programmen von 8 Filmen zu 84 Minuten und 7 Filmen zu 75 Minuten gezeigt. Am 16. September sind die sieben Preisträger an der Reihe.
Die ausgewählten Filme decken eine große Bandbreite ab: Es sind abstrakte Animationen darunter und solche, die dem menschlichen Körper nachempfunden sind. Es begegnen sich echte Körper, die zum Teil wiederum zu Körperteilen fragmentiert oder deren Bewegungsmöglichkeiten digital erweitert werden. Der Kreis schließt sich mit Tänzern, die zu artifiziellen Silhouetten mutieren. Auch selbstironische Erzählungen über den Ballettalltag gibt es.
Festivalmitorganisator Schumacher hat im globalen Maßstab einige Unterschiede in den Rahmenbedingungen der Tanzfilmproduktion ausgemacht, die sich auch im Festival selbst niederschlagen. »In manchen Ländern, etwa Kanada und Australien, gibt es extra Budgets für Tanzfilme. Daher kommen von dort auch technisch ausgefeiltere Produktionen. In Ländern wie Japan bietet ein Tanzfilm eine bessere Distributionsgrundlage als das Stück selbst, weil das Anmieten von Spielstätten verhältnismäßig teuer ist«, meint er zu »nd«. Einen Ausblick auf die japanische Szene bietet denn auch in einer Videoschaltung Naoto Iina, Gründungsdirektor des »Dance and Media Japan International Dance Video Festivals«.
Damit Berliner Choreographen die - im Vergleich mit anderen Ländern zu konstatierenden - Nachteile bezüglich der technischen Infrastruktur etwas abbauen können, bietet Pool drei Workshops an. Sie beschäftigen sich mit dem Umgang mit gängiger grafischer Software, mit Bluescreen und Greenscreen sowie der Aufbereitung von Videos für verschiedenste mobile Endgeräte und Ausgabeformate im Social Media-Bereich.
Dass technisches Knowhow nicht automatisch zu interessanten Tanzfilmen führt, hat freilich Juror Wesemann bei den Sichtungen feststellen müssen. »Bei manchen Beiträgen gewann man den Eindruck, dass vornehmlich die technischen Möglichkeiten vorgestellt werden sollten. Es fehlte aber an zündenden künstlerischen Ideen«, klagte er. Es ist aber davon auszugehen, dass Wesemann und seine beiden Co-Kuratorinnen solcherart leere technische Spielereien bereits aussortiert haben.
Gut bedient ist auf alle Fälle, wem derzeit im Vorprogramm einiger Kinos der rätselhafte, dank Sepia-Technik auf alt eingefärbte Kurzfilm »50 Shots« begegnet, in dem sich eine Frau in einen Zeitenwirbel hineintanzt. Aus nur 50 Bildern werden hier immer neue Bewegungssequenzen kreiert. Der Einminüter wurde dank eines bundesweiten Partnerprogramms in die Kinos gebracht. Das ist ein hoffnungsvoller Distributionskanal für ein noch recht junges Genre. Wer noch dafür in Frage kommen könnte, ist bei Pool zu entdecken.
13.-16.9., 20 Uhr, Dock 11
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