Von Enten aus Kreisen

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 2 Min.
Zu den vier Hauptsätzen der Politikdynamik gehört die „Genannt-verbrannt-Regel". Es handelt sich um eine Gesetzmäßigkeit, die meist innerhalb von Parteien ihre Wirkung entfaltet, und zwar stets im Vorfeld der großen Feiern der parlamentarischen Demokratie - von Wahlen. Da braucht es Kandidaten und meist ist das Angebot an attraktiven Listenplätzen kleiner als die Nachfrage. Es geht um Karrieren, auch um Jobs, und natürlich geht es auch um Politik. Denn mit Personen verbinden sich Akzentuierungen, die wiederum anderen Personen mit ihren jeweiligen Akzentuierungen nicht passen. Wer aber zu früh als Bewerber für eine wichtige Kandidatur genannt wird, ist nicht selten verbrannt und andere kommen zum Zuge.

An die „Genannt-verbrannt-Regel" konnte man denken, als am Donnerstag eine Vorabmeldung der „Zeit" die Runde machte: Unter Berufung auf „Informationen aus Parteikreisen" hieß es da, Oskar Lafontaine interessiere sich „für einen Platz im Europaparlament" und wolle „die Nachfolge des scheidenden EU-Abgeordneten Lothar Bisky antreten". Die Europawahl findet 2014 statt, für eine Kandidatendebatte wäre es ziemlich früh und von EU-Ambitionen des Saarländers war bisher nicht öffentlich die Rede. Nun aber schon, Dank der „Kreise" und einer Äußerung der Europaabgeordneten Gabi Zimmer, die lieber Alexis Tsipras an der Spitze einer europäischen Linksliste sähe. Die Antwort erfolgte prompt in der „Welt", wo von „einigen" Linkenpolitikern zu lesen ist, die vermuten, „das Gerücht über eine Europa-Kandidatur Lafontaines sei der Versuch einer internen Intrige gegen den Ex-Parteichef". Die Zeitung kann einen anonymen „Spitzenfunktionär" zitieren, der sagt, da versuche „jemand", den Saarländer „als potenziellen Spitzenkandidaten zu desavouieren".

Für welche Wahl, bleibt hier offen - und das kein Zufall: Eine Debatte über eine angebliche Europakandidatur Lafontaine könne geführt werden, wie es die „Welt" formuliert, „um ihn möglicherweise von ganz anderen Plänen abzuhalten", solchen zur kommenden Bundestagswahl nämlich. Da steht der Name Lafontaine ganz oben auf der Wunschliste vieler in der Linkspartei, aber es gibt auch viele, die eine führende Rolle des Saarländers im Wahlkampf nicht gerade herbeisehnen. So oder so: Die Diskussion über Spitzenkandidaturen, sei es für 2013 oder 2014, steht der Linkspartei ohnehin ins Haus. Man wird in den kommenden Wochen noch öfter von „Kreisen" und ungenannten „Spitzenfunktionären" hören. Und dann auch die pflichtgemäßen Reaktionen der Pressesprecher vernehmen. Lafontaine nach Europa? „Das", sagt einer, „ist eine klassische Zeitungsente."
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