Reaktionen bestätigen Legalität
Der Anti-Mohammed-Film und die Redefreiheit
Es wäre besser gewesen, die Filmszenen, die nun unter dem Titel »Innocence of Muslims« weltweite Berühmtheit erlangen (das Original hieß schlicht: »Mohammad Movie Trailer«), wären nie produziert worden. Doch nun können sie immerhin dazu dienen, den Umgang mit der Meinungsfreiheit zu veranschaulichen - und zwar gerade auch den Umgang in der so genannten freien Welt.
Da wäre zum einen die Verbreitung, die die Videoplattform YouTube dem Film gönnt. Zwar verstößt der Film nicht gegen die YouTube-Richtlinien, wie Google klarstellte, dem YouTube gehört. Das Unternehmen wich auch nicht von dieser Aussage ab, als seitens der US-Regierung die bemerkenswerte Aufforderung kam, das doch noch mal zu überprüfen. Gesperrt wurde der Film dennoch. Zunächst - und angeblich nur zeitweise - am Mittwoch in Ägypten und Libyen, wo die Proteste zuerst hochgekocht und dabei die ersten Menschen gestorben waren. Mittlerweile ist das Video auch in Malaysia, Indien und Indonesien gesperrt. In Indien und Indonesien seien Gesetze dafür verantwortlich, sagt Google. Andernorts liege es daran, dass das Unternehmen generell auf kulturelle Normen achte. Google selbst bezeichnet sein Vorgehen in diesem Fall als außergewöhnlich.
Zum anderen sind selbst große deutsche Medien nicht gegen Relativierungen der Redefreiheit gefeit. So schrieb Stefan Kornelius, Leiter der Außenpolitikredaktion bei der »Süddeutschen Zeitung«, am Donnerstag, es sei »müßig, hier nach Tätern und Opfern zu unterscheiden«. »Islamistische Fanatiker« hätten es »amerikanischen Extremisten« »zurückgezahlt«. Kornelius setzt die Macher eines Films, der keinen lebenden Menschen beleidigt oder bedroht, mit Mördern, Brandschatzern und anderen Antisemiten gleich - und übersieht dabei, dass das »Heimzahlen« im Töten Unschuldiger bestand. Am Sonntag sendete »Deutschlandradio Kultur« einen Kommentar, in dem der Kairoer Korrespondent Björn Blaschke die US-Regierung zu rechtlichen Schritten gegen den Film aufforderte, denn: »Satire darf nicht tödlich sein«. Damit wäre den Mördern nachträglich letztlich Recht gegeben.
Nun sind aber gerade die Reaktionen auf den Film eher eine Bestätigung seiner Legalität. Es waren bis Montag nur wenige Zehntausende, die demonstrierten. Und es scheinen die üblichen Verdächtigen zu sein. Warum sonst sollten sie mit zum Teil antisemitischen Tiraden USA- und Israel-Flaggen verbrennen, Tage nachdem die so angegriffenen Regierungen den Film scharf kritisiert hatten? Die Antwort: Der Film war nicht der Grund des Aufruhrs. Der Reporter der Zeitschrift »The New Yorker« konnte bei den Kairoer Protesten keinen Menschen sprechen, der das Video kannte.
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