Digel kritisiert Förderstruktur des DOSB
Ex-Präsident der deutschen Leichtathleten fordert umfassende Reformen, doch der Dachverband will den Kurs beibehalten
Während der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) nach Olympia in London nur wenig Anlass zu Veränderungen sieht, fordert der Tübinger Sportsoziologe Helmut Digel eine umfassende Reform des deutschen Hochleistungssports und eine Umverteilung der Mittel im DOSB. Eine Leistungsüberprüfung sei auch für die Olympiastützpunkte notwendig, föderale Strukturen seien in Frage zu stellen.
In einem Beitrag für die Sächsische Zeitung kritisierte der Ex-Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes: »Deutschland verfügt über eine Bürokratie des Leistungssports, die ihresgleichen sucht.« Dem Führungspersonal fehle es an fachlicher Kompetenz, und »die Frage nach der Verantwortung ist völlig ungeklärt. Tritt sportlicher Erfolg ein, so gibt es viele Väter. Bei Misserfolg stehen der Heimtrainer und der Athlet auf der Anklagebank«, so Digel weiter.
Die DOSB-Führung reagierte am Dienstag in Frankfurt am Main gelassen auf die Vorwürfe. »Wenn man ihn dann mal fragt, was er konkret meint, habe ich bislang wenig erfahren«, sagte DOSB-Generalsekretär Michael Vesper: »Es hilft nicht zu sagen, es muss alles umgekrempelt werden. Es muss konkret sein.«
Auch in Sachen Trainerberuf herrsche Digel zufolge großer Reformbedarf. »Dass wir uns alle eine bessere Bezahlung der Trainer wünschen, ist keine Frage«, entgegnete DOSB-Präsident Thomas Bach: »Aber auch hier stellt sich die Frage nach der konkreten Finanzierung.«
Digel glaubt, angesichts dieser Mängel müsse es zunächst vor allem um eine neue Verteilung der vorhandenen Mittel gehen: »Eine neue Effizienz ist gefragt. Die Spitzensportförderung sollte gläserne Verhältnisse aufweisen.« Wenn man sich den Leistungssport schon vom Steuerzahler finanzieren lasse, müssten für jeden olympischen Sportverband nachvollziehbare Ziele festgelegt werden. »Bei Nichterreichen der Ziele sollten Sanktionen erfolgen und Erfolge angemessen belohnt werden.«
Wie erwartet erklärte der DOSB am Dienstag nach seiner Präsidiumssitzung jedoch, er halte an den während Olympia in London heftig kritisierten Zielvereinbarungen fest und wolle 2016 bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro erfolgreicher sein als 2012. Das System der Bestrafung für Leistungsausfall habe man vor Jahren zugunsten des aktuellen Modells aufgegeben, wovon zum Beispiel die Leichtathleten sehr profitiert hätten. »Das Steuerungsmodell Leistungssport hat sich bewährt«, sagte Vesper.
Über die Zielvereinbarungen habe sich nach den Worten eines Verbandspräsidenten eine »Phantomdiskussion« entwickelt. Diese Abmachungen zwischen Spitzenverbänden und DOSB hätten weder Vereinbarungen noch Medaillenprognosen auferlegt, sondern nur frühzeitig Potenziale identifiziert: »Dabei war sportfachlich jedem klar, dass sie sich nur teilweise in tatsächliche Medaillen umsetzen lassen.« SID/nd
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