Tugendsucher auf der Baustelle
Fußballzweitligist 1. FC Union Berlin empfängt heute 1. FC Köln zum Abstiegskampf
Wer würde gerade in diesen Tagen nicht einmal wieder gern die Welt auf den Kopf stellen? Die Armen werden immer mehr und ärmer, während sich das Geld in immer weniger Händen vermehrt. Im Fußball geht es meist um Profaneres. Dem 1. FC Union Berlin und dem 1. FC Köln würde es gerade schon genügen, die Tabelle der 2. Bundesliga umzudrehen. Ein Gedanke, ebenso unrealistisch wie derzeit die Hoffnung auf Umverteilung des Reichtums. Also empfängt heute der Vorletzte aus Köpenick den Drittletzten aus Köln.
Umgeben von Kränen prägt ein riesiger Betonklotz derzeit das Bild an der Alten Försterei. Die neue Haupttribüne entsteht. Die größte Baustelle im Klub? »Nein«, erwiderte Unions Trainer Uwe Neuhaus, »das ist derzeit die Mannschaft.« Mit nur einem Punkt aus den ersten fünf Spielen legte sie einen formidablen Fehlstart hin. Ob dieser Bilanz sei es »Quatsch«, jetzt über das Saisonziel, Platz fünf bis sieben, zu reden, findet Neuhaus. Auch fällt es ihm leicht, die Frage zu bejahen, ob Union jetzt schon im Abstiegskampf stecke.
Wesentlich schwerer tut sich der Trainer in der Analyse der Misere. Einerseits: »Wir müssen eigentlich nicht so viel verändern.« Andererseits: »Wir schaffen es als Team nicht, gut zu verteidigen. Wir schaffen es als Team nicht, uns Chancen zu erarbeiten.« Letzteres lässt eher grundlegende Probleme erahnen. Dass Union in den bisherigen fünf Ligapartien jeweils mit einer anderen Viererkette in der Abwehr auflief, ist nicht nur dem Verletzungspech geschuldet, das die Berliner zweifelfrei verfolgt. Mehr Sicherheit konnten die Neuzugänge Fabian Schönheim und Roberto Punčec der Defensive jedenfalls noch nicht geben.
Im Sturm kann Neuhaus mit der Aufstellung dagegen nicht allzu viel falsch machen. Als Verstärkung entpuppte Adam Nemec bisher noch nicht. Bleiben also nur noch Simon Terodde und Silvio. Der schwerfällig wirkende Brasilianer blieb bisher torlos, Terodde traf zumindest einmal im Pokal. Die Schaffenskrise der spielgestaltenden Mittelfeldakteure Torsten Mattuschka und Tijani Belaïd verstärkt das Offensivproblem.
Die Abschlussschwäche vor dem gegnerischen Tor treibt auch Holger Stanislawski Sorgenfalten auf die Stirn. Den bisher einzigen Treffer erzielten die Kölner vom Elfmeterpunkt. Dass der FC mit dieser kläglichen Ausbeute einen Punkt mehr als Union auf dem Konto hat, macht die Arbeit für den Trainer nicht leichter. Lieber heute als morgen will der Absteiger ins Oberhaus zurück. Dafür wurden 21 Spieler gekauft, 20 mussten gehen. »Da braucht ein Trainer Zeit, die er nicht bekommt«, zeigte Neuhaus Verständnis.
Durch fünf, recht erfolgreiche Jahren hat er sich bei Union selbst etwas mehr Ruhe erarbeitet. Dennoch forderte Neuhaus vor dem heutigen Spiel »totale Leidenschaft und Willen«. Der Ruf nach derlei Tugenden hat schon etwas Existenzielles.
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