Wer sind die Krisenmanager?
Die wichtigsten Institutionen, ihre Aufgaben und ihre Chefs
José Manuel Durão Barroso ist seit Ende November 2004 Präsident der EU-Kommission. Er wurde 2009 gegen die Stimmen vieler Sozialdemokraten, Sozialisten und Grüner im Europäischen Parlament für eine zweite Amtszeit gewählt, die seitdem stark von der Eurokrise und den Verhandlungen über milliardenschwere Rettungsschirme geprägt ist. Die Ankündigung der Europäischen Zentralbank, Staatsanleihen von Krisenländern aufzukaufen, begrüßte Barroso. Als ehemaliger Ministerpräsident des Krisenlandes Portugals musste er sich allerdings bereits öfter kritische Nachfragen ob seiner früheren Verantwortung für die Finanzen des Landes gefallen lassen.
Am 12. September 2012 verteidigte Barroso vor dem EU-Parlament in Straßburg seine Pläne, eine einheitliche Aufsicht für die rund 6000 Banken der Eurozone zu schaffen. Wenn Geldinstitute länderübergreifend agierten, müsse eine Kontrollin-stanz dazu ebenfalls in der Lage sein.
Das Verwaltungsorgan der Europäischen Währungsunion ist die 1998 gegründete Europäische Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt am Main. Sie bildet mit den nationalen Zentralbanken das Europäische System der Zentralbanken (ESZB). Dieses System unterstützt die EU-Wirtschaftspolitik; in erster Linie soll es aber das allgemeine Preisniveau stabil halten - diesem Ziel werden alle anderen Aktivitäten untergeordnet.
Die meisten Aufgaben des ESZB werden von der EZB erfüllt, deren Präsident seit November 2011 der italienische Wirtschaftswissenschaftler Mario Draghi ist. Der frühere Chef der Italienischen Zentralbank arbeitete bereits für die Weltbank und die US-Investmentbank Goldman Sachs. Kritik an Draghi gibt es aufgrund seiner Mitgliedschaft im Finanz- und Wissenschaftsgremium Group of Thirty (G30). Ende Juli 2012 legte die Anti-Lobby-Gruppe »Corporate Europe Observatory« Beschwerde ein. Die G30 sei eine Lobbyorganisation für Großbanken, Draghi könne deshalb als EZB-Chef nicht unabhängig agieren, so die Argumentation.
In der Eurokrise präsentiert sich Draghi als konsequenter Pragmatiker. Bereits Anfang August 2012 hatte er angekündigt, dass die EZB notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern aufkaufen werde. Massive Gegenwehr kam vom Präsidenten der Bundesbank, Jens Weidmann, der in der entscheidenden EZB-Sitzung am 6. September aber allein auf weiter Flur stand.
Bereits 2010 und 2011 hatte die EZB unter Draghis Vorgänger Jean-Claude Trichet griechische, italienische, spanische und portugiesische Staatsanleihen gekauft. Der Vertrag von Lissabon verbietet eine Staatsfinanzierung durch die EZB; Trichet und Draghi argumentieren, dass das nur für direkte Ankäufe gelte, nicht für den Erwerb von Schuldtiteln über den Sekundärmarkt.
Bei den mindestens vierteljährlich stattfindenden EU-Gipfeln treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU, sie bilden gemeinsam den Europäischen Rat. Hier werden Kompromisse zwischen den Mitgliedstaaten ausgehandelt und über die weitere Entwicklung der EU entschieden. Im Europäischen Rat müssen, ebenso wie im Rat der Europäischen Union (Ministerrat), alle Entscheidungen einstimmig gefällt werden - faktisch hat damit jeder Staat ein Vetorecht. Kritiker werfen der Institution vor, sie vertrete keineswegs europäische, sondern genuin nationalstaatliche Interessen und habe zudem bei der Euro-Einführung eine gemeinsame EU-Finanzpolitik verhindert.
Der Vorsitzende der EU-Gipfel wird für jeweils zweieinhalb Jahre gewählt. Der ehemalige belgische Regierungschef Herman Achille Van Rompuy wurde 2009 zum ersten ständigen Präsidenten des Europäischen Rates gewählt und hat seitdem auch den Vorsitz über die Treffen inne.
Anfang September 2012 sprach sich Van Rompuy nach einem Treffen mit dem griechischen Regierungschef Antonis Samaras deutlich für einen Verbleib des Krisenlandes Griechenlands in der Eurozone aus, mahnte aber weitere Sparmaßnahmen und Reformen an. Er habe keine Zweifel, dass die Zukunft Griechenlands im Euroland sei, so Van Rompuy.
In der Euro-Gruppe koordinieren die Staaten mit Gemeinschaftswährung ihre Steuer- und Wirtschaftspolitik und kontrollieren die Einhaltung des Euro-Stabilitätspaktes. Dazu überwacht das 1998 eingerichtete EU-Gremium Haushaltspolitik und Finanzen der Euroländer. Die Gruppe, die keine rechtskräftigen Beschlüsse fassen kann, trifft sich meist am Vortag des monatlich tagenden Ecofin-Rats, in dem die Wirtschafts- und Finanzminister aller EU-Staaten über wichtige Fragen entscheiden.
Präsident der Euro-Gruppe ist seit 2005 der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker, der als Vertreter des Europäischen Föderalismus und eines sozialeren Europas gilt. Er kritisierte mehrfach die deutsche Exportstrategie und das daraus folgende Lohn- und Sozialdumping. Juncker befürwortet prinzipiell eine Finanztransaktionssteuer, glaubt aber nach eigenen Angaben nicht daran, dass diese durchsetzbar sein wird. Zudem setzt sich Juncker, der die EU auch in internationalen Finanz- und Wirtschaftsgremien wie dem IWF vertritt, für gemeinsame Staatsanleihen der EU-Länder, die sogenannten Eurobonds, ein.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 12. September 2012 die Mitwirkung Deutschlands am Euro-Rettungsfonds ESM und am Fiskalpakt unter Auflagen gebilligt hatte, kündigte Juncker an, das erste Treffen des ESM-Gouverneursrats am 8. Oktober stattfinden zu lassen. Der Fiskalpakt soll in Kraft treten, sobald er von zwölf Euroländern ratifiziert ist, jedoch nicht vor dem 1. Januar 2013.
Angela Merkel, vom »Forbes«-Magazin bereits zum sechsten Mal zur mächtigsten Frau der Welt gewählt, vertritt als Bundeskanzlerin die Bundesrepublik Deutschland innerhalb der EU. Die Bundesrepublik spielt aufgrund ihrer wirtschaftlichen und politischen Stärke eine entscheidende Rolle in allen Verhandlungen zu deren Bewältigung.
Merkel hielt stets an der Eurozone fest und lehnte offiziell einen Austritt Griechenlands aus der Gemeinschaftswährung ab. Die Kanzlerin war aber auch diejenige, die am meisten auf eine Verschärfung der Stabilitätskriterien drängte und den Fiskalpakt als treibende Kraft durchsetzte. Die Sparvorgaben, die den Krisenländern diktiert wurden, führten dort zu Sozialkürzungen ungeheuren Ausmaßes und verschärften die Situation für die Bevölkerung erheblich.
Linke Ökonomen geben Deutschland eine große Mitschuld an der Schuldenkrise. Jahrelange - politisch geförderte - Lohnzurückhaltung bescherte deutschen Konzernen Milliardengewinne und steigerte den Exportanteil am Bruttoinlandsprodukt kräftig. Gleichzeitig sorgte sie aber dafür, dass die Binnennachfrage in Deutschland niedrig blieb und europäische Mitbewerber bei den Preisen unterboten wurden. Lohndumping nennt es Heiner Flassbeck von der UN-Handelskonferenz UNCTAD. Der Druck, den Deutschland mit den niedrigen Löhnen auf Europas Märkte ausübte, trieb viele Firmen dort in den Ruin und trug mit zu Verarmung und Arbeitslosigkeit besonders im Süden bei. Diese Situation wird spätestens dann zum Problem, wenn keiner mehr Geld hat, deutsche Waren zu kaufen. Bereits jetzt hat sich das exportbasierte Wirtschaftswachstum deutlich verringert, für das zweite Halbjahr sagt die OECD Deutschland eine Rezession voraus.
Obwohl es der einzige Zusammenschluss internationaler Großbanken ist, finden sich nur spärliche Informationen zum Institute of International Finance (IIF) und seinen Führungskräften Douglas Flint und Charles Dallara. Fest stehen jedoch das Gründungsjahr (1983) und das angestrebte Ziel: Die Lobbyorganisation der weltweiten Finanzindustrie will politische Entscheidungsträger in ihrem Sinne beeinflussen - und tut das auch in der aktuellen Eurokrise.
Am EU-Gipfel im Juli 2011, auf dem die Bedingungen für die Griechenlandhilfen beschlossen wurden, nahm Flint-Vorgänger und Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann teil. Der IIF, der über 450 Banken vertritt, hatte dort ein Papier vorgelegt - und zum Großteil auch durchgesetzt -, in dem die Höhe der Beteiligung privater Banken an der Griechenlandrettung festgelegt war. Auch bei der Umsetzung des griechischen Schuldenschnitts im März 2012 spielte der IIF eine entscheidende Rolle: Geschäftsführer Dallara, der nach fast 20 Jahren kürzlich seinen Rücktritt ankündigte, fungierte als Verhandlungsführer für die Anleihehalter.
Flint übernahm im Juni 2012 den IIF-Vorsitz von Ackermann. Der britische Ökonom ist Vorstandsvorsitzender der britischen Großbank HSBC. Und auch der deutsche Einfluss im IIF bleibt groß: Ende August wurde bekannt, dass der Ko-Vorsitzende der Deutschen Bank, Anshu Jain, in den Verwaltungsrat einzieht.
Siehe Grafik: Zahlen und Fakten zur Eurozone
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