Je größer der Skandal, desto lauter Berlusconi
Ehemaliger Ministerpräsident Italiens kritisiert deutsches Spardiktat bei Eurorettung
Renata Polverini hat aus dem Finanzskandal um die Berlusconi-Partei Volk der Freiheit (PdL) die einzig mögliche Konsequenz gezogen und trat am Dienstag von ihrem Amt als Gouverneurin der Region Latium zurück. Steuer- und Finanzprüfungsbehörden werfen ihr und einem Dutzend Regionalräte die Veruntreuung von fast sechs Millionen Euro vor.
Unter dem Beifall ihres Gönners, Förderers und damaligen Regierungschefs Silvio Berlusconi übernahm Polverini im März 2010 das Spitzenamt in der Region rund um die italienische Hauptstadt Rom. Berlusconi war es auch, der bis zuletzt versuchte, Polverini von ihrem Rückzug abzuhalten.
Der aber war angesichts der aufgeflogenen Finanzgebaren des PdL-Fraktionsvorsitzenden und Schatzmeisters der Partei, Franco Fiorito, nicht mehr vermeidbar. Der massive PdL-Politiker mit dem Spitznamen »Batman« liebte nicht nur rauschende Feste im Stile der Antike, sonder bediente sich auch kräftig aus Wahlkampfspenden sowie aus staatlichen Wahlkampfkostenerstattungen.
Regierungschef Mario Monti, der ankündigte nicht zu den Wahlen im Frühjahr anzutreten, zeigt sich äußerst besorgt. Denn neben Polverini steht auch der Regionalchef der Lombardei, Roberto Formigoni, wegen Korruption unter Verdacht. Der ebenfalls der PdL angehörende Politiker soll sich Luxusjachten und -Immobilien für das Erweisen »kleiner Gefälligkeiten« angeeignet haben. Auf Sizilien ermitteln die Finanzbehörden und Staatsanwälte gegen den Regionalpräsidenten Lombardo sowie seinen Vorgänger Cuffaro wegen Bestechlichkeit und Vorteilsnahme. In Kalabrien muss sich der Regionspräsident Giuseppe Scopelliti (PdL) gegen Mafia-Vorwürfe zur Wehr setzen.
»Die Rechte in Trümmern«, fasste die Tageszeitung »La Repubblica« den gegenwärtigen Zustand der PdL zusammen und erklärte, Latium, Lombardei und Sizilien seien nur Spitzen von Eisbergen. Wenn die Affären so weitergehen, löse sich die Berlusconi-Partei ähnlich auf wie die Democrazia Cristiana zu Zeiten der Schmiergeldfaffären unter Giulio Andreotti zu Beginn der 90er Jahre.
Berlusconi muss nun Stimmverluste bei den erforderlichen Neuwahlen in der Region Latium fürchten und wendet sich lieber Themen wie der Eurokrise zu. In einem Interview mit der »Huffington Post« wirft er Deutschland vor, seinen EU-Partnern bei der Eurorettung die Regeln diktieren zu wollen. »Im Vergleich zu (Ministerpräsident Mario) Monti wäre ich weniger loyal zu Deutschland.« Deutschland sei ein hegemoniales Land, das den anderen europäischen Ländern die Sparpolitik mit der Behauptung aufzwänge, dass das Defizit dadurch verringert werden könne. Für die Zukunft Italiens im Euroraum sieht Berlus᠆coni drei Möglichkeiten. »Die erste: Deutschland überzeugen, dass wir nicht nur mit Sparen weitermachen können. Die zweite: dass Deutschland aus dem Euro austritt«, und als dritte Möglichkeit der Austritt aller anderen Länder, das Ende der Einheitswährung und das Auseinanderbrechen Europas. Er bevorzuge die erste Lösung, so Berlusconi.
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