Signale auf Dauerrot
Auch in Niedersachsen klaffen längst große Löcher im Schienennetz - doch die CDU/FDP-Koalition will nicht gegensteuern
Wildkraut überwuchert die Gleise zwischen Uelzen und Dannenberg im Wendland. Personenzüge fahren auf jener Strecke schon seit 1975 nicht mehr, und der letzte Gütertransport rollte im Mai 1996. Er brachte Castorbehälter für das atomare Zwischenlager Gorleben. Seitdem nahm auch der hoch radioaktive Müll einen anderen Weg. Aber noch liegen die Schienen. Sie sollen für den Personennahverkehr reaktiviert werden, fordert der »Fahrgastrat Wendland«.
Der Fahrgastrat ist eine der fast zwei Dutzend Initiativen in Niedersachsen, die sich für die Wiederbelebung stillgelegter Zugstrecken einsetzen. Niedersachsens Landtag möge solches Engagement unterstützen, bekräftigten die Grünen am Donnerstag im Plenum und wurden dabei von SPD und Linksfraktion nach Kräften unterstützt.
Doch die schwarz-gelbe Regierungsmehrheit blockte. »Einseitige Ideologie« zugunsten der Bahn betreibe die Opposition, so lässt sich die Schelte zusammenfassen, welche die Regierungsparteien austeilten. Verkehrsminister Jörg Bode (FDP) wähnte gar eine »Attacke gegen den Straßenverkehr«. Dabei klingt der grüne Antrag durchaus ideologiefrei, wenn er auch auf Vorwürfe nicht verzichtet: Die Schiene werde vernachlässigt, Bund und Land setzten bei der Verteilung von Geld für Verkehrswege den Schwerpunkt auf Autobahnen und andere Straßen. Angesichts des Klimawandels bereite dies große Sorge. Im Bahnverkehr klaffen aufgrund von Stilllegungen empfindliche Lücken, wiesen die Grünen nach. So seien zum Beispiel Fährhäfen zu den Ostfriesischen Inseln und auch die über 50 000 Einwohner zählende Stadt Nordhorn vom Schienennetz abgeschnitten.
Vielfach sind in den betroffenen Regionen die Gleise noch vorhanden, doch sie sind ungenutzt, verkommen. Solche Trassen zu sichern, so die Grünen, sei eine »Daueraufgabe der Landesregierung« - auch wenn es aktuell keine Chancen gibt, die Strecken zu reaktivieren. Einmal entfernte Schienen müssten später, wenn ihr Bedarf neu erkannt wird, aufwendig ersetzt werden. Der schleichende Abbau von Bahninfrastruktur im Land müsse daher gestoppt werden.
Enno Hagenah, Verkehrsexperte der Grünenfraktion, bemängelte, dass die Regierungsparteien das regionale Pro-Bahn-Engagement von Bürgerinnen und Bürgern nicht unterstützen. Zwar sprächen CDU- und FDP-Politiker gern gute Worte vor örtlichen Reaktivierungs-Initiativen, aber das sei scheinheilig, da den Worten keine Taten folgten.
Gute Bahnverbindungen gehörten zur Daseinsvorsorge, unterstrich die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ursula Weisser-Roelle. Deshalb dürfe die Reaktivierung zurzeit ungenutzter Strecken nicht von der Kassenlage in Bund und Land ausgebremst werden.
Wo Fahrgastpotenziale vorhanden sind und Wirtschaftlichkeit erreichbar ist, sollten stillgelegte Strecken in puncto Reaktivierung überprüft werden, riet der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Gerd Will. Eine Schlüsselfunktion habe dabei der Anteil Niedersachsens an den Regionalisierungsmitteln, die der Bund den Ländern zur Finanzierung des Bahnnahverkehrs zur Verfügung stellt. Derzeit sind es 617 Millionen Euro. Dieses Geld müsse langfristig gesichert werden, damit für die jeweiligen Regionen Planungssicherheit gewährleistet ist und langfristige Verkehrsverträge vereinbart werden können.
Auch die Appelle der Opposition, die Reaktivierung der Strecken zu beschleunigen und damit die Mobilität vieler Menschen zu verbessern, konnte die CDU/FDP-Regierungsmehrheit nicht von ihrem Nein abbringen. Schwarz-Gelb stellte das Signal für Erhalt und Wiederherstellung zahlreicher Gleiswege auf Rot.
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