Aufgeschobener Kompromiss
Die Verhandlungen über ein weltweites Klonverbot sind erneut ins Stocken geraten
Sowohl in Großbritannien als auch in den USA erforschen Wissenschaftler bisher relativ unbehelligt das Klonen. Und auch China wirft sich den Partnern aus dem Westen als Forschungspartner in die Arme. So hat James Grifo von der New York University School of Medicine bereits mit chinesischen Partnern in Guangzhou einer 30-jährigen Frau geklonte Embryonen beschert. Zwar starben die Kinder bei der Geburt, doch die Forscher kündigten bereits Folgeexperimente an - selbstverständlich nur zum Wohl der Betroffenen.
Laut einer Studie des kalifornischen Zentrums für Genetik und Gesellschaft haben 77 Prozent aller Länder auf nationaler Ebene keine Gesetze zum Verbot des reproduktiven Klonens (siehe Kasten).
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Klonen
Die Forscher unterscheiden zwischen dem therapeutischen Klonen, bei dem menschliche Zellen geklont werden, um Ersatzgewebe für medizinische Zwecke zu gewinnen, und dem reproduktiven Klonen, das die Erzeugung lebensfähiger Menschenkopien zum Ziel hat.
Beiden Methoden eigen ist das Klonen menschlicher Zellen. Beim therapeutischen Klonen kann ebenfalls ein Embryo zur Gewinnung der begehrten embryonalen Stammzellen hergestellt werden, nach Entnahme wird dieser Embryo jedoch, im Gegensatz zum reproduktiven Klonen, vernichtet.
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Angesichts dessen ist es kaum verwunderlich, dass auch die UN sich bei der dringend notwendigen Regelung schwer tut. Zu stark differieren die jeweiligen nationalen Interessen: Auf der einen Seite stehen die knapp 50 Staaten, die sich einer Initiative von Costa Rica zum totalen Klon-Verbot angeschlossen haben, unter ihnen auch die USA. Die US-amerikanische Position ist in den Verhandlungen von einer christlich-fundamentalistischen Ablehnung jeglichen Klonens gekennzeichnet, die Bush-Administration hat zu Hause jedoch keine Mehrheit für ein totales Klonverbot.
Auf der anderen Seite steht ein belgischer Resolutionsentwurf, der von China und einem weiteren Dutzend Staaten unterstützt wird. Er sieht ein Zweistufenmodell vor, nach dem das reproduktive Klonen generell verboten werden soll. Das therapeutische Klonen jedoch wollen die Belgier nationalen Regelungen überantworten. Als Urheber des Zweistufenmodells kann jedoch nicht Belgien allein gelten. Ende September 2003 wurde bereits ein deutsch-französisches »Non-Paper« bei den UN in Umlauf gebracht, das dem jetzigen belgischen Entwurf wie ein Klon gleicht. Auf Grund scharfer Kritiken vor allem aus Deutschland zogen die beiden Delegationen ihren Entwurf zurück. Der Deutsche Bundestag hatte nämlich bereits im Februar 2003 mit breiter Mehrheit das totale Verbot jeglichen Klonens gefordert und auch die deutsche Delegation mit diesem Votum nach New York geschickt. »Die Linie des Auswärtigen Amtes widerspricht dem ausdrücklichen Willen des Bundestages«, so der SPD-Abgeordnete Wolfgang Wodarg. Die deutsche Verhandlungsführerin bei der UN, Kerstin Müller, hingegen rechtfertigte das »Non-Paper« in der Bundestagsdebatte am 16. Oktober 2003, weil man anders nicht hoffen könne, klonfreundliche Staaten in ein Abkommen einzubinden.
Von den weiteren Beratungen der UN ist bislang hingegen wenig an die Öffentlichkeit gedrungen. Sie scheinen jedoch erneut zu stocken. Am vergangenen Mittwoch bestellte der Vorsitzende des 6. Komitees, der philippinische UN-Botschafter Lauro Liboon Baja, je fünf Befürworter der costa-ricanischen und der belgischen Variante zum klärenden Gespräch - über den Ausgang oder Inhalte wurde bislang nichts bekannt. Bleibt zu befürchten, dass die Skeptiker Recht behalten - sie vermuten eine erneute Vertagung der Debatte auf Anfang nächsten Jahres. Bis dahin ist der Zug der Klonforscher schon ein ganzes Stück weiter gerollt.
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