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Wird Brcko Schauplatz einer „Entscheidungsschlacht“ ?

Alle, drej. Kriegsparteien in Bosnien,-Herzegowina haben ihre Truppen an der Save zusammengezogen

  • Lesedauer: 3 Min.

Von MARKO WINTER

Der Krieg in Bosnien hat einen neuen Krisenherd, der so neu nicht ist: Brcko. Seit Beginn des Konflikts kam es hier immer wieder zu Kämpfen zwischen den drei Kriegsparteien, wobei häufig auch reguläre kroatische Truppen aus der benachbarten Republik eingriffen.

Wenn schon im Zusammenhang mit Gorazde von einem strategisch wichtigen Punkt gesprochen wurde, so trifft das auf Brcko noch mehr zu. Liegt es doch in dem schmalen Korridor, der eine Verbindung zwischen den serbischen Gebiete im Westen und Osten Bosniens und mit Serbien schafft. Die Bevölkerung des Hafenstädtchens an der Save soll vor dem Krieg aus knapp 44 Prozent Moslems, 24 Prozent Kroaten und 20 Prozent Serben bestanden haben. Heute wird die Stadt von den bosnischen Serben kontrolliert, während Teile des Umlandes in der Hand moslemischer und auch bosnisch-kroatischer Truppen sind.

In Brcko, so die bosnischen Serben, könne es deshalb kei-

ne Kompromisse, geschweige denn territoriale Zugeständnisse geben. Inzwischen ist man offensichtlich nicht einmal mehr bereit, den Moslems jenen Zugang zum Savehafen zu gewähren, der im Owen-Stoltenberg-Plan schon einmal zugestanden war Die jetzt gemeldeten Truppenkonzentrationen aller drei Kriegsparteien rufen deshalb größte Sorge hervor. Brcko, so UNO-Offiziere wie moslemische Militärführung, könnte zum Schauplatz einer „Entscheidungsschlacht“ werden. Der UN-Sicherheitsrat hat inzwischen alle Seiten vor „ernsthaften Konsequenzen“ gewarnt, falls der sogenannte Korridor von Posavina angegriffen werde. Keine Frage, daß neue Kämpfe die

Bemühungen der neugebildeten Kontaktgruppe, doch noch zu einer Friedenslösung zu kommen, zunichte machen würden. Es wäre nicht zum ersten Mal.

Nach dem Waffenstillstand von Sarajevo gab es die große Chance bei den Genfer Verhandlungen, auf der Grundlage des EU-Friedensplanes eine generelle Regelung für Bosnien zu erreichen. Durch die von den USA initiierten Separatverhandlungen wurde sie jedoch vergeben. Dafür ließ man immer wieder moslemische Nadelstiche aus den Schutzzonen heraus zu, und die Serben hatten ihren Vorwand für eine politisch wie militärisch letztlich sinnlose Belagerung von Gorazde, die vor allem völlig unschuldige zivile Opfer forderte. Das vor vier Wochen noch euphorisch gefeierte Abkommen über die moslemischkroatische Föderation ist dagegen fast schon in Vergessenheit geraten. Im leidgeprüften Mostar bringen sich Moslems und Kroaten weiter gegenseitig um, kroatische Extremisten lehnen den deutschen EU-Administrator Koschnik ab - aber niemand will die Einhaltung des Abkommens erzwingen ...

Tuzla ist ein anders Beispiel. Vor wenigen Wochen noch machte es Schlagzeilen, weil Hunderttausenden der Hungertod drohte, wenn nicht sofort der dortige Flughafen für humanitäre Hilfsflüge geöffnet würde. Mit russischer Hilfe wurde die Zustimmung der Serben erreicht - aber bis heute gab es nicht einen Hilfsflug, weil die moslemische Seite serbische und russische Beobachter ablehnt.

Oder die Schutzzone Bihac. Im Westen scheint man völlig vergessen zu haben, daß in diesem Gebiet nach wie vor Kämpfe zwischen den moslemischen Anhängern von Fikret Abdic und von Alija Izetbegovic stattfinden, die sinnlose Opfer kosten. Dafür jetzt also Brcko. Und dann?

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