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Auch in der Samag gehen die Lichter aus

Maschinenfabrik Sangerhausen vor Konkurs / Treuhandschnitzer wieder Ausgangspunkt Von HANS-DIETER VATER

  • Lesedauer: 3 Min.

Behalter, die in der Umwelttechnik Anwendung finden, gehören zum Produktionsprofil der anhaltinischen Samag Foto: DPA

Die Zeiten, da man in Sangerhausen den Steiger mit dem hellen Licht besang, gehören längst der Vergangenheit an. Die jüngste Hiobsbotschaft aus dieser Region mit ständig höchsten Arbeitslosenquoten: Gegen die Samag Maschinenfabrik Sangerhausen GmbH, ist Gesamtvollstreckung beantragt, Geschäftsführer und Miteigentümer Kurt Mayer, der sich auch als Immobilienspekulant in Sangerhausen hervorgetan hat - er erwarb Grundstücke von insgesamt 254 815 Quadratmetern - wurde verhaftet.

Nachdem mit dem Niedergang des Kupferbergbaus schon gut 8 000 Arbeitsplätze verlorengingen, im Mifa-Fahrradwerk die Beschäftigtenzahl von 1 600 auf 120 schrumpfte und über 4 000 Menschen aus der Landwirtschaft keine Arbeit mehr finden, sollen nun auch im letzten größeren Industriebetrieb des Kreises für rund 1000 Mitarbeiter die Lichter ausgehen. Mayer wird Betrug in Höhe von 29 Millionen Mark zur Last gelegt, 43 Millionen Mark Fördermittel soll er zweckentfremdet eingesetzt haben, drei Millionen DM schuldet er der AOK, auf 14 Millionen Mark wartet die Treuhand, und die Mailöhne sind nach Auskunft des Betriebsrates noch nicht gezahlt. Außerdem verlangt Interpol nach Mayer, weil sie ihn in Sachen Geldwäsche der italienischen Justiz als Zeuge zuführen soll.

Zugleich wird eine neue Seite in der Skandalgeschichte der Treuhandanstalt, speziell der Niederlassung Halle, aufgeschlagen. Denn die Maschi-

nenfabrik im geschätzten Wert von 30 Millionen Mark wurde am 26. Juli 1991 von der Treuhand über den Herrn Mayer für 29,80 DM an die englische „Portland Cooperation“ ver-

scherbelt. Und es wundert niemanden mehr, daß dieser Deal von den gleichen ehemaligen halleschen Treuhandoberen, wie Klaus Klamroth, abgewikkelt wurde, die schon den Mil-

lionenbetrügern Greiner und Hoeß hilfreich zur Seite standen. Sie waren es, die die Bonität des als Käufer auftretenden Unternehmens wohlwollend bestätigten, obwohl es selbst erst ein halbes Jahr zuvor im englischen Cardiff gegründet worden war und kaum jemand verbindlich seine Zahlungsfähigkeit bestätigen konnte. Der hallesche Treuhandsprecher Jancke räumt heute kleinlaut ein, es hätte beim Vertragsabschluß „einige Schnitzer“ gegeben, und überhaupt sei der Treuhand und dem Land ein „immenser Schaden“ entstanden. Trotzdem - „eine Rücknahme des Unternehmens wird es nicht geben!“

Obwohl sich Insider schon lange im klaren darüber waren, daß „Wunder-Mayer“ und die Samag finanzielle Probleme hatten, gewährte die CDUgeführte Magdeburger Landesregierung dem Unternehmen ohne Prüfung noch im März eine Landesbürgschaft von zehn Millionen DM. Dummheit oder Absicht, das ist hier die Frage.

In Sangerhausen hat die Nachricht über den bevorstehenden Konkurs die soziale Unsicherheit weiter erhöht. Die registrierte Arbeitslosigkeit im Landkreis beträgt bereits 22 Prozent, zu 60 Prozent sind die Frauen erfaßt. Noch wird in der Maschinenfabrik normal gearbeitet, ist es zu keiner spektakulären Antwort der Arbeitnehmerschaft gekommen. Aber unter der Oberfläche brodelt es. Betriebsratsvorsitzender Uwe Schlenstedt unterstrich, Betriebsrat und Belegschaft wollten gemeinsam mit der Gewerkschaft um jeden Arbeitsplatz' kämpfen.

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