Treibstoff der Klimawandelleugner

Studie untersucht die Gründe für das Erstarken der Gegen-Klimabewegung

  • David Zauner
  • Lesedauer: 4 Min.
Anhänger der fossilen Industrien am Rande einer Klimaschutzdemo in Los Angeles
Anhänger der fossilen Industrien am Rande einer Klimaschutzdemo in Los Angeles

Klimawandelleugnung ist ein weltweites Phänomen. Ein stetig wachsendes Netzwerk aus Unternehmen, Thinktanks und Interessenverbänden gibt jedes Jahr Millionen aus, um Zweifel an den menschengemachten Klimaveränderungen zu säen. Das Herz dieser »Gegen-Klimabewegung« – ein Begriff, den der Soziologe Robert Brulle geprägt hat – liegt nach wie vor in den USA. Von rund 550 Organisationen des Netzwerks stammen über 60 Prozent aus den Vereinigten Staaten. Mittlerweile gibt es aber in über 50 Ländern mindestens eine Organisation mit dem Ziel, Klimaschutz zu verhindern.

Woher kommt diese Bewegung? Mit Blick auf die USA war die einfache wie überzeugende Erklärung bislang: Um ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen zu schützen, schüren interessierte Kreise aus der fossilen Industrie Skepsis gegenüber dem menschengemachten Klimawandel. Diverse sozialwissenschaftliche Studien belegten genau diesen Zusammenhang. In einer breit angelegten Netzwerk- und Textanalyse konnte eine Studie aus dem Jahr 2015 nachweisen, dass populäre klimaskeptische Narrative, verbreitet in der US-Öffentlichkeit, auf eine kleine Gruppe von Organisationen zurückzuführen waren, die wiederum in einer engen Beziehung zur fossilen Privatwirtschaft standen.

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

Ganz so einfach ist die Frage nach dem Warum aber wohl nicht mehr zu beantworten, wie eine Forschungsgruppe um den Stanford-Soziologen Jared Furuta zeigt. Die zunehmende Internationalisierung des Netzwerks könne nicht allen durch fossile Geschäftsinteressen erklärt werden, heißt es in ihrer vor wenigen Tagen im Fachjournal »Plos One« erschienenen Studie. Erstens folge die Bewegung nicht mehr nur klassisch konservativen oder wirtschaftlichen Interessen. Die Anti-Klimaschutz-Bewegung sei »jetzt Teil eines umfassenderen Kulturkampfes mit populistischen und wissenschaftsfeindlichen Dimensionen, der durch die allgemeine Erosion der internationalen liberalen Ordnung geprägt ist«, schreiben die Forscher*innen. Und zweitens gebe es selbst in Ländern ohne oder mit kaum eigener fossiler Produktion wie Neuseeland, Schweden oder Burkina Faso mittlerweile Anti-Klimaschutz-Organisationen.

Um das wachsende Netzwerk besser zu verstehen, analysierten die Forschenden Hunderte solcher Organisationen in über 160 Ländern. Überraschenderweise erhöhen laut der Analyse weder die Wirtschaftsstärke noch die Höhe der Pro-Kopf-Treibhausgasemissionen oder die Öleinnahmen eines Landes die Wahrscheinlichkeit für die Existenz einer klimawandelskeptischen Organisation. Stattdessen entstünden sie vor allem in Ländern mit einer ambitionierten Klimapolitik und einer einflussreichen Umweltbewegung. Offenbar rufen die politischen Anstrengungen für eine nachhaltige Gesellschaft eine Gegenreaktion hervor. Diese habe ein größeres Mobilisierungspotenzial als tatsächliche ökonomische Sorgen durch fossile Ressourcenabhängigkeit, erläutern die Autor*innen. Das Konzept des »Double Movement« ist nicht neu und wurde schon in anderen Kontexten beschrieben: Je stärker sich eine Gesellschaft für etwas engagiert, desto größer ist das Potenzial für die Entstehung einer Gegenbewegung.

Ganz getrennt lässt sich dieser reaktionäre Reflex aber nicht vom Interesse wichtiger Akteur*innen betrachten, ihre politische und wirtschaftliche Macht zu erhalten. Vielmehr ist es das Ziel populistischer Narrative, die ihren Ursprung in den klassischen, fossil finanzierten Thinktanks haben, Deutungshoheit in der Öffentlichkeit zu erlangen oder zu erhalten. Wer Zweifel sät, hofft darauf, dass sie in einem Teil der Gesellschaft Wurzeln schlagen.

Die Studie widerlege nicht den Einfluss der fossilen Industrie, betont Johanna Siebert von der Denkfabrik Progressives Zentrum. Doch auch für die Politökonomin ist die Leugnung des Klimawandels mittlerweile Teil eines breiteren Kulturkampfes.

Auch in Deutschland gibt es mit der Lobbyorganisation Europäisches Institut für Klima und Energie (EIKE) und einigen Einzelpersonen wie den beiden ehemals beim Energiekonzern RWE angestellten Publizisten Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning umtriebige Figuren der Szene. Ihr bislang geringer Einfluss wächst mit der allgemeinen politischen Rechtsentwicklung: »Die AfD macht jenen, die auch aus gutem Grund Sorge vor den sozialen Auswirkungen der Transformation haben, ein politisches Angebot und unterfüttert die Ängste der Menschen mit klassischen Leugner-Narrativen: Der Klimawandel ist nicht menschengemacht oder Klimaschutz ein grünes Ideologieprojekt«, erläutert Siebert. Daher trügen auch die Mitte-Links Parteien eine Mitschuld. Indem sie die sozialen Folgen der aktuellen Klimapolitik kaum thematisierten, überließen sie das Thema den Rechten.

Die Studienautor*innen aus den USA schließen aus ihren Ergebnissen: Klimapolitische Maßnahmen müssten auch danach beurteilt werden, inwiefern sie eine erwartbare Gegenreaktion auslösen. Johanna Siebert wird konkreter: »Es braucht eine linke Kritik an den sozialen Herausforderungen der Transformation. Anstatt gegen die Akteur*innen von Klimaschutz müsste sich die Wut gegen die Verursacher der Klimakrise und die ungerechte Verteilung der Kosten von Klimaschutz richten.«

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.