Eine Schwedin flog am weitesten - 174,5 m

Frauen-Skispringen auf umgebauter Schanze in Vikersund / Gleich drei Weltrekorde wurden aufgestellt / Inoffiziell weitester Flug bei 200 m

  • Hans-Jürgen Zeume
  • Lesedauer: 3 Min.
Ski springende Frauen haben es seit jeher nicht leicht, sich zu behaupten. Dabei reicht die Geschichte des Skispringens der Frauen bis in das Jahr 1911 zurück. Damals erreichte Gräfin Lamberg aus Kitzbühel 22 m. 15 Jahre später war es die Norwegerin Olga Balstad-Eggen, die diese Rekordweite um vier Meter übertraf. Ihre Landsfrau Johanna Kolstad verbesserte bis 1937 den Weltrekord gleich drei Mal auf 32 m, 62 m und schließlich auf 71,5 m. Mitte der siebziger Jahre war es erneut eine Norwegerin, Anita Wold, die für die Rekordmarken von 72,5 m, 82,5 m und 97,5 m sorgte. Den ersten Über-100-m-Sprung stand 1981 die Finnin Tiina Lehtola mit 110 m. Nach ihr pulverisierte die Österreicherin Eva Ganster die Rekorde, als sie 1994 in Lillehammer mit 113,5 m und 1997 am Kulm mit 167 m neue Rekordmarken setzte. Ganster war 1997 auf dem Riesenbakken im heimischen Kulm in Bad Mitterndorf als Vorspringerin zugelassen worden. Anfang März 2004 beim Skifliegen der so genannten B-Kategorie der Männer auf der Schanze im norwegischen Vikersund hatte der Ski-Weltverband FIS nach kontroversen Debatten auch vier Frauen zu diesem offiziellen Wettkampf eingeladen. Den Rahmen bildete die Einweihung der umgebauten neuen Skiflug-Schanze. Vor 6000 Zuschauern sorgten die Frauen gleich für drei Weltrekorde. Zunächst segelte die Schwedin Helena Olsson auf 171,5 m - 4,5 m weiter als die bisherige Weltrekordlerin Eva Ganster. Das wiederum stachelte den Ehrgeiz der hoch favorisierten Norwegerin Anette Sagen an. Sie kam auf 172,5 m - neuer Landesrekord (bisher 136,5 m). Doch die Schwedin Helena Olsson konterte mit der Weltrekordweite bei offiziellen Wettkämpfen von 174,5 m. Den inoffiziellen Weltrekord hält die Österreicherin Daniella Iraschko mit 200 m, die sie am 29. Januar 2003 am Kulm als Einfliegerin außerhalb der Konkurrenz gesprungen war. Mit den spektakulären Leistungen in Vikersund brachten sich die Skisprung-Frauen wieder ins Gespräch. Sie wollen bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin mitzuspringen. Jan Erik Aalbu, Sportchef im norwegischen Skiverband, erläutert die Lage so: »Ich glaube, es ist realistisch, dass die Frauen 2006 in Turin dabei sein werden und der Frauen-Skisprung als Vorführdisziplin auf dem Programm stehen wird.« Die FIS hält sich in dieser Sache allerdings noch bedeckt. Es ist kein Wunder, dass sich ausgerechnet die Norweger dafür so ins Zeug legen. Der norwegische Skiverband hat eine umfassende Strategie ausgearbeitet, um das Frauen-Skispringen zu fördern. Norwegen ist das erste Land der Welt mit einem speziellen Förderungsprogramm. »Unser Ziel ist, bis zum Jahr 2008 rund 700 aktive Skispringerinnen aller Altersklassen zu haben«, erläutert Norwegens Ski-Verbandspräsident Sverre Seeberg. Für dieses Projekt stellt das norwegische NOK 850000 Kronen (108000 Euro) bereit. »Wir wollen, dass sich das Frauen-Skispringen zu einem natürlichen Teil des Skispringens sowohl national als auch international entwickelt«, gibt Projektleiter Jan-Henning Skaret die Richtung an. Derzeit gibt es in Norwegen 200 Skispringerinnen aller Altersklassen. Vier Frauen bilden das Nationalteam unter Trainer Frank Helge Johansen. Die 19-jährige Anette Sagen, die in Vikersund kurzzeitig Weltrekordlerin war, meinte: »Es ist super, dass man endlich uns Frauen im Skispringen ernst nimmt. Bis jetzt waren wir nur ein Ausstellungsmuster.« Übrigens steht am 13. Januar 2005 bei der Winter-Universiade in Innsbruck erstmals das Frauen-Skispringen auf dem offiziellen Programm. Der Sprunglauf wird auf der Olympiaschanze von Seefeld ausgetragen. Das hat die Welt-Studentensport-Organisation FISU auf ihrer Tagung in Daegu (Südkorea) beschlossen. Folgt anschließend der olympische Demonstrations-Sprunglauf 2006 in Turin? Die FIS wird die Entwicklung sehr aufmerksam verfolgen, zumal ab dem kommenden Winter am legendären Holmenkollen bei Oslo ein großes Saisonfinale mit einem Frauen-Wettbewerb steigt, das zur Tradition werden soll. »Vielleicht bin ich 2010 nicht mehr aktiv, wenn in Vancouver die erste Skisprung-Olympiasiegerin ermittelt wird«, sagt Anette Sagen ein bisschen wehmütig. »Aber wenn es so käme, wäre es eine Genugtuung für mich, dafür einen Beitrag geleistet zu haben.«

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -