Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

  • Kultur
  • Phil Collins begann mit einem umjubelten Konzert auf dem Berliner Maifeld seine Europa-Tournee

Zorniges Statement mit Dudelsack

  • CLAUDIA WINTER
  • Lesedauer: 3 Min.

Sang sich in die Herzen der Berliner: Phil Collins

Foto: JapA

Es habe ihm zunehmend mehr Spaß gemacht, seine jüngste Platte „Both Sides“ zu Hause, ganz allein in einem kleinen Raum, zu machen - keine Produzenten, keine Musiker, keine Texter. Das glaubt man dem 43jährigen Phil Collins gern. Er hat alle Instrumente selbst eingespielt, hat komponiert, getextet und gesungen. Daß er nun mit dem musikalischen Ergebnis rund um die Welt zieht, um ihm und sich einen Popularitätsschub zu verpassen, scheint ein notwendiges Übel, dessen sich Phil Collins aber mit Anstand und manchmal auch mit Witz entledigt.

Auf dem Berliner Maifeld begann Phil Collins seine Europa-Tournee, rund 60 000 Fans waren dabei. Aber Collins, der vor zwei Jahren mit Genesis überhaupt das Maifeld für Rockkonzerte erschloß, hat mit diesem Auftrittsort wenig Glück. Mindestens ein Drittel der Zuschauer erlebte eher eine stumme Fernsehübertra-

gung. Pink Floyd, die vor gut zwei Wochen hier eine fantastische Licht- und Musikshow boten, hatten da mehr Geschick und offensichtlich bessere Tontechniker. Pink Floyd ging es allerdings nicht vordergründig um die Präsentation der einzelnen Musiker, die nahmen sich weit zurück, sondern um den Gesamteindruck. Phil Collins dagegen ist der Star, um den sich im Konzert alles dreht, und wenn man ihn nur per Video-Großaufnahme sehen kann, geht da schon einiges verloren. Also hieß es sich weit nach vorne drängeln, wollte man das Konzert live erleben, mitsingen und den Einsatz zum Wunderkerzenschwenken nicht verpassen.

Die ganze Bühne eine Stadtlandschaft mit Wolkenkratzern, Hotels, Industriebauten und kleinen, verwinkelten Häusern. Je nach Bedarf wird mittels ausgetüftelter Lichtregie Stimmung erzeugt. Das fördert schon die Ahs und Ohs.

Collins rennt bei fast jedem Titel von einem Ende seiner Stadt zum anderen, als gäbe es Kilometergeld. Die Show findet um ihm herum statt, wenn beispielsweise die Bläser mit stereotypen Tanzschritten und Armschwenken den Hit „Two Hearts“ ein wenig karikieren. Und auch Collins rettet sich oft ins Komische. Warum bleibt der Mann nicht einfach sitzen oder stehen und singt?

Musikalisch bewegt er sich im ersten Teil des Konzerts entsprechend der Produktion „Both Sides“ im ruhigeren Teil seines Repertoires. Und er bleibt seinem sozialen Engagement treu. „Kauft keine T-Shirts mehr Ich habe genug Geld. Kauft euch lieber ein Video“, ruft er auf deutsch seinem Publikum zu. Das Geld dafür gehe hundertprozentig an Leute, die kein Dach über dem Kopf haben.

„Both Sides Of The Story“ ist ein Song mit beißendem so-

zialem Kommentar Wie für den Tag geschrieben wirkte „We Wait And Wonder“ Ein zorniges Statement des Engländers zum Konflikt zwischen Terroristen und Regierung in Nordirland. Die eingängige, an Märsche erinnernde Melodie wird vom Dudelsack mitgetragen. Das militante Geplustere beider Seiten' wird auch optisch deutlich. Dieses Lied war einer der Höhepunkte des Konzerts.

Nach einer Pause begann das Karussell der schönen Schmachtesongs: „One More Night“, „Easy Lover“... Nun verwandelte sich auch die Bühne in einen Rummelplatz, Luftschlangen und bunte Lichter entführten in eine heile Welt, wo es nur noch Liebe und ihren süßen Schmerz gibt. Mit einem langausgedehnten „Take Me Home“ verabschiedete sich Phil Collins, nahm Hut und Mantel und verschwand durch eine kleine Tür seiner Bühnenstadt.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -