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Barnimer Wasser ist eins der teuersten

NGG-Gewerkschafter UWE LEDWIG für Gründung einer Bürgerinitiative

  • Lesedauer: 4 Min.

Eine Bürgerbewegung „Für soziale Wasser-/Abwasserpreise im Barnim“ will sich am kommenden Dienstag in der nordostbrandenburgischen Stadt Eberswalde gründen - in der örtlichen Geschäftsstelle der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten (NGG). Über die wässrige Angelegenheit sprach ND-Mitarbeiter Jörg Staude mit dem Eberswalder NGG-Geschäftsführer, UWE LEDWIG.

Herr Ledwig, Sie sind Gewerkschafter wie auch einer der Gründer der Bürgerinitiative gegen die hohen Wasserpreise. Ist das ungewöhnlich?

Als Gewerkschafter können 1 mich die hohen Wasserpreise nicht kalt lassen. Diese haben fatale Folgen für die Wirtschaft in der Region - nicht allein, weil die Bürger weniger Geld in der Tasche haben. Den Unternehmen bleibt nichts anderes übrig, als die hohen Wasserkosten auf die Preise umzulegen. Damit verteuern sich die Produkte erheblich, beispielsweise bei der hier regional stark vertretenen Nahrungsgüterindustrie, die zudem einen hohen Wasserverbrauch hat. Unter teureren Lebensmitteln leiden wiederum die Gaststätten und Hotels, der ganze Tourismus, der im Barnim als ernsthafte Vision und künftiger Arbeitgeber gehandelt wird. Wollen Sie in einem Hotel übernachten, wo der Kosten wegen nach sieben Litern Wasser die Dusche automatisch abgeschaltet wird?

Die extrem hohen Preise sind auch ökologisch unsinnig. Wenn ein Barnimer jetzt seinen Wasserverbrauch um 30 Prozent reduziert, wird der Kubikmeter für ihn nur geringfügig billiger. Die NGG versteht sich auch als eine „grüne“ Gewerkschaft.

Wie hoch sind denn die Preise?

Ab Februar 1995 sind für den Kubikmeter Frischwasser 3,25 und für den Kubikmeter Abwasser 9,97 Mark zu zahlen. Dazu kommen monatlich noch einmal 10 Mark Anschluß- und 15 Mark Bereitstellungsgebühr - alles zuzüglich 15 Prozent Mehrwertsteuer Bei einem Durchschnittsverbrauch der Haushalte von 75 Litern pro Kopf ergibt das einen Preis für Wasser und Abwasser von 20 bis 23 Mark für den Kubikmeter Das ist, soweit ich weiß, bundesweit der Spitzenpreis. Nach Angaben der Industriegewerkschaft Bergbau/Energie sollen nur in Nordbrandenburg, in der Prenzlauer Region, die Preise künftig noch höher sein.

Im letzten Jahr hatte die Politik allerdings etwas anderes versprochen

Ja. Die Landesregierung, die Landräte und die Zweckverbände Wasser/Abwasser beteuerten alle, daß nur ein Gesamtpreis unter 10 Mark je Kubikmeter zu akzeptieren sei. Von den Versprechen haben sich alle, auch viele Bürger, einlullen lassen. Man dachte eben, daß es so schlimm doch nicht komme.

Nun kam es noch schlimmer.

Die erste Forderung der Bürgerinitiative wird sein, daß der Preis bei 9,99 Mark für den Kubikmeter festgeschrieben wird. Natürlich müßten dazu die öffentlichen Zuschüsse erhöht werden. In Westdeutschland wurden über Jahre 80 bis 85 Prozent der Investitionen in die Wassernetze aus öffentlicher Hand zugeschossen, hier sind das nur sieben Prozent. In Berlin soll der durchschnittliche Wasserpreis 4,75 DM je Kubikmeter betragen. Die Brandenburger sollen das Fünffache bezahlen. Wie verträgt sich das mit der grundgesetzlichen Verpflichtung, für gleiche Lebensbedingungen überall in Deutschland zu sorgen?

Es kann nicht sein, daß die Bürger nun für die offensichtlichen Fehlplanungen der letzten Jahre herhalten müssen. Bei den Kosten schlagen vor

allem die überdimensionierten, teuren Leitungssysteme zu Buche. Billigere Lösungen wurden erst gar nicht in Betracht gezogen. Wie andere wurde zum Beispiel auch die Stadt Eberswalde „überzeugt“, einem Zweckverband beizutreten. Daß all dies zugelassen wurde, dafür steht das Land in der Verantwortung, ist es regreßpflichtig. Die Brandenburger Landesregierung hatte auch versäumt, Einfluß darauf zu nehmen, daß nicht die jetzt über 100 Zweckverbände Wasser/Abwasser entstehen. Die Fördermittel wurden so nicht effizient eingesetzt, sondern „verkleckert“ Ich meine, daß sogar die strafrechtliche Relevanz solcher Fehlplanungen zu prüfen ist.

Gegen Preise läßt sich schlecht demonstrieren. Wie wollen Sie da Widerstand organisieren?

Da gibt schon noch Möglichkeiten außer Unterschriftenlisten und Demos. Ich könnte mir vorstellen, daß wir die Abwässer einer Woche mal sammeln und vor dem Sitz der Landesregierung auskippen. Auch eine kollektive Zahlungsverweigerung wäre sicher ein wirksames Mittel.

Kontakt. NGG, Grabow-Straße 49, 16225 Eberswalde, Tel. 03334/22991

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