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  • Sport
  • Heinz Florian Oertel:

„Ich bedauere und bereue nichts“

  • Lesedauer: 3 Min.

Als Moderator des Kugelstoßmeetings in Sassnitz vor wenigen Tagen haben Sie mehr Applaus bekommen als die Sportler. Autogrammjäger standen Schlange. Was tun Sie jetzt eigentlich?

Meine erste Lebensaufgabe ist es, Rentner zu sein. Immerhin bin ich bereits im 68. Lebensjahr. Aber ganz zur Ruhe gesetzt habe ich mich natürlich nicht. Ich bin als Lehrbeauftragter an zwei Universitäten tätig, wo ich mich mit Sprache, Sprechen und Publizistik beschäftige. Außerdem arbeite ich gelegentlich für den ORB und den NDR.

Der Umbruch in der DDR hat bei Ihnen für einen Karriereknick gesorgt. Bedauern Sie die politische Entwicklung hierzulande?

Ich bedauere und bereue nichts. Mein Leben ist mein Leben. Aber mir war immer klar: Nach Bergen kommen Täler.

Im Dezember 1989 haben Sie als erster DDR-Sportreporter ein Fußball-Bundesligaspiel in Stuttgart für die ARD-Hörfunkkette kommentiert. Ein verheißungsvoller Anfang. Warum wurde nicht mehr daraus?

Das müssen Sie die ARD fragen. Ich vermute, ich war nicht schlecht genug. RTL hatte mir angeboten, 1990 das Tennisturnier in Wimbledon und die Tour de France zu kommentieren. Auch von Eurosport gab es Anfragen. Aber diese Kontakte endeten meist in beredtem Schweigen. Eine Begründung für das plötzlich fehlende Interesse wurde nicht gegeben. Das hätte wohl Mut bedurft oder Verstand. Aus heutiger Sicht würde ich ein solches An-

gebot auch nicht mehr annehmen. Ich bedauere nur viele junge Kollegen, die den Weg des Nickens und Schweigens gehen.

Einige Kritiker werfen Ihnen vor, Sie seien ein Hofberichterstatter gewesen.

Das ist lächerlich. Dieser Vorwurf kennzeichnet die wahren Konturen überhaupt nicht. Dann waren alle Hofberichterstatter.

Professionalismus und Kommerz halten dem Sport immer häufiger den Zerrspiegel vor. Beunruhigt Sie diese Entwicklung?

Sportler werden schon seit 2500 Jahren bezahlt. Im antiken Griechenland bekamen die Athleten einst 500 Drachmen. Ich halte es für korrekt, daß Sportler für ihre Leistungen Geld erhalten. Bedrohlich finde ich allerdings die Relationen. Daß jemand Millionär werden kann, wenn er einige gute Pässe auf dem Fußballrasen schlägt, gefährdet den sozialen Frieden.

Teilen Sie die Auffassung, die Grundlagen des erfolgreichen DDR-Sports seien im Chemielabor gelegt worden?

Es ist falsch, alles auf Doping reduzieren zu wollen. Das sind politische Tendenzen, viele absichtlich lanciert. Ich bin strikt gegen Doping. Doping gab es längst vor der Existenz der DDR.

Wenn Sie den ehemaligen DTSB-Präsidenten Manfred Ewald treffen sollten, was würden Sie ihm sagen?

Daß er endlich zu Sachlichkeit und Ehrlichkeit finden soll.

Gespräch: FRANKO KOITSCH, dpa

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