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^Datenschutz ist ein politisches Problem'

Informatik-Experte ULRICH PORDESCH über die Risiken moderner Kommunikation Beschert uns die Informationsgesellschaft den „gläsernen Menschen“?

  • Lesedauer: 3 Min.

Daß wir den „gläsernen Menschen“ bekommen, glaube ich nicht. Die Gefahr ist aber, daß die rechtliche Entwicklung mit der nationalen und internationalen Vernetzung nicht Schritt hält. Wie sieht es beispielsweise rechtlich aus, wenn Unternehmen Daten von Kunden, die in der Bundesrepublik ansässig sind, in Drittländer exportieren, bei denen niedrigere Datenschutzvorschriften herrschen?

Daneben gibt es noch die technische Seite des Datenschutzproblems. In den Netzen, die heutzutage aufgebaut werden, gibt es noch zu wenig Möglichkeiten, die Daten verschlüsselt zu übertragen, um sie damit zu schützen.

Werden diese Möglichkeiten bloß' nicht angewandt oder müßten die technischen Verfahren erst noch entwickelt werden?

Teilweise müssen sie noch entwickelt werden, aber es gibt schon sehr fortschrittliche Konzepte. Man kann im Grunde genommen Daten so über-

tragen, daß sie so sicher sind, daß nicht einmal sehr gut ausgerüstete Geheimdienste sie noch entschlüsseln können. Das ist ein politisches Problem, da die Geheimdienste immer nach Möglichkeiten suchen, solche technische Entwicklungen zu stoppen.

Die Geheimdienste verhindern also einen effektiven Datenschutz?

Sie versuchen, den Einsatz von sicheren Verschlüsselungsverfahren durch politische Einflußnahme auf die Gesetzgebung zu unterbinden bzw nur solche Verfahren zuzulassen, mit denen sie die Chance haben, auf die Schlüssel noch zurückzugreifen.

Entsprechende Entwicklungen gibt es derzeit in den USA. Im Sommer letzten Jahres hat die Clinton-Regierung die Initiative für breit angelegte Verschlüsselungsverfahren ergriffen. Diese sollen aber gleichzeitig in zentralen Datenbanken gespeichert werden, auf die dann nach richterlicher Anordnung oder aufgrund von anderen Rechtsvorschriften die Sicherheitsbehörden zugreifen können.

In der Bundesrepublik ist der Einsatz sicherer Verschlüsselungsverfahren bisher nicht verboten. Allerdings können sich nur die effektiv schützen, die die entsprechenden technischen Vorkehrungen haben, also vor allem große Firmen. Aber auch die breit genutzten Dienste, wie zum Beispiel die Telefonnetze oder, elektronische Dienste wie Telefax oder Btx sind noch ungesichert.

Müßten neben der Frage des Datenschutzes nicht noch andere Aspekte berücksichtigt werden?

Ja, beispielsweise das Problem der Verletzlichkeit der Gesellschaft durch die zunehmende Vernetzung von Computern und die zunehmende Benutzung von neuen multimedialen Diensten. Wenn in naher Zukunft Einkäufe überwiegend elektronisch getätigt werden oder Daten zwischen verschiedenen Ländern hinund herübertragen werden, entsteht ja eine ganz andere Gesellschaftsstruktur.

Was passiert eigentlich, wenn dann solche Netze einmal Störungen haben oder ausfallen? Gibt es überhaupt

noch Möglichkeiten, dann die entsprechenden Dienstleistungen ohne solche Netze wenigstens vorübergehend durchzuführen? Im übrigen gibt es eine Menge Probleme sozialer Art. Das wären alles Fragen, die eben auch zu diskutieren wären, die aber relativ wenig beleuchtet werden. Weil es zu wenig politischen Druck gibt?

Ja. Vor zehn Jahren war dies anders. Da gab es eine breite Diskussion in Bezug auf neue Medien und die damit ausgelösten Gefahren. Diese Debatte ist sehr stark abgeebbt und die entsprechenden Initiativen sind überwiegend verschwunden. Entscheidungsträger sehen sich teilweise nicht mehr genötigt, von ihrer rein wirtschaftlich orientierten Sichtweise wegzukommen.

Da die neuen Medien sehr schnell in den privaten Bereich vordringen, halte ich es aber für möglich, daß auch die kritische Diskussion wieder auflebt.

Interview: JÜRGEN AMENDT

Ulrich Pordesch ist Mitarbeiter der Projektgruppe Verfassungsverträglicher Technikgestaltung (PROVET) in Darmstadt.

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