Das jähe Ende vom SSS-Prozess

Aufwändiges Verfahren endete mit Milde und ohne Klärung offener Fragen

  • Gunnar Schubert, Dresden
  • Lesedauer: 2 Min.
Unerwartet rasch kam das Ende des Prozesses gegen die letzten mutmaßlichen Mitglieder der Skinhead Sächsische Schweiz (SSS). Wirkliche Klarheit brachte es nicht.
»Morgen kommen wir nicht mehr«, erklärte lächelnd Mario Männchen, einer der Angeklagten, den Sicherheitsleuten im Dresdner Landgericht. Zwei Stunden später am Mittwochnachmittag verkündete der Vorsitzende der 7.Strafkammer vor gerade fünf Besuchern die Urteile für vier der noch verbliebenen fünf Angeklagten im letzten Prozess gegen die Skinheads Sächsische Schweiz und ihre beiden »Aufbauorganisationen« (AO). Die rasche Beendigung folgt dem so genannten Beschleunigungsgebot in Jugendverfahren. Gegen Dirk Schitzkat wurde das Verfahren »wegen geringen öffentlichen Interesses« und »geringer Schuld« eingestellt. Gegen Auflagen eingestellt wird das Verfahren gegen drei Angeklagte. Sie müssen je 1000 Euro zahlen, ein Teil der Summe kommt Opfern der SSS zugute. Das Verfahren gegen einen fünften Jugendlichen war wegen eines parallelen Prozess um einen Brandanschlag gegen Sinti und Roma außerhalb des Hauptverfahrens erledigt worden. Alle Kosten und Auslagen trägt die Staatskasse. Allein das Lächeln von Mario Männchen war verfrüht. Er war als einziger Erwachsener angeklagt, sein Verfahren ist ausgesetzt, um ihm Einsicht in vorenthaltene Akten zu gewähren (ND vom 8.6.). Gegen ihn wird weiter wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verhandelt. Ob Männchen, der weder Mitglied noch »Anwärter« war, verurteilt wird, ist aber ungewiss. Das Gericht stellte fest, dass der Straftatbestand des Paragrafen129 »noch bei weitem nicht geklärt« ist. Hingegen meinte Oberstaatsanwalt Jürgen Schär gegenüber ND, »der Vorwurf der kriminellen Vereinigung ist mitnichten in Zweifel gezogen worden«. Das sächsische Bündnis für Opfer rechter Gewalt AMAL zeigte sich enttäuscht über den Ausgang des SSS-Prozesses. Einzelne Angeklagte seien weiter in der rechten Szene aktiv. Knapp die Hälfte der 82 Ermittlungen gegen die SSS und deren Umfeld ist vor Gericht behandelt worden. 16 Personen wurden rechtskräftig wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Daneben sind wegen weiterer Delikte Urteile ergangen, zumeist Geldbußen nach dem Jugendrecht. Das Resümee von Oberstaatsanwalt Schär: »So ein Verfahren ist sehr kraftaufwändig, aber es hat die Strafverfolgungsbehörden sensibilisiert. Und es hat die Situation vor Ort verändert.« Ob das stimmt, wird sich bereits am Samstag bei der Antifa-Demonstration »Kein schöner Land« in Pirna erweisen. Während im Internet die rechte Szene mit gewalttätigen Übergriffen auf Teilnehmer droht, hat sich die Stadt entschlossen, einen Lauf gegen alle Formen von »Extremismus« zu organisieren.

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