Beim Transrapid soll nun »der Weg das Ziel« sein
Brandenburgs Verkehrsminister Hartmut Meyer (SPD) schwenkt auf die Linie der Industrie ein
Noch ist er nicht mal gebaut, ja es steht nicht einmal fest, wo genau er langfahren wird, aber über die mit dem Transrapid Hamburg-Berlin vermuteten wirtschaftlichen Vorteile wird schon kräftig gestritten. Dabei geht es um die Aufträge beim Bau der 300 Kilometer langen Stelzenbahn genauso wie um die mit dem Betrieb der »Bahn« verbundenen Arbeitsplätze, die allerdings nicht vor dem Jahr 2004 zu erwarten sind - sofern es keine weiteren Verzögerungen gibt.
Diese befürchtet neuerdings Brandenburgs Verkehrsminister Hartmut Meyer (SPD). Nichts werde besser, wenn man es lange zerrede, sagte der Minister am Dienstag bei einem Besuch der AEG Schienenfahrzeuge Hennigsdorf und forderte schnelle Entscheidungen und eine schnelle Umsetzung der Transrapid-Pläne. Andere Nationen dürften Deutschland hier nicht den Rang ablaufen, bemühte sich Meyer ganz populistisch und ortete die heranhechelnde Konkurrenz mit dem Zusatz »fernöstlich«
Besser als Brandenburgs Verkehrsminister könnte die Transrapid-Lobby von AEG, Siemens, Thyssen und einigen Baukonzernen auch nicht für die Schwebebahn werben. Obwohl er parallel zu einer ICE-Strecke verkehrt, keine Güter transportieren kann und nicht zum bestehenden Verkehrssystem paßt, hält Meyer den Transrapid auch verkehrspolitisch für sinnvoll: Ein Hauptverkehrskorridor werde erschlossen, Luft und Straße würden entlastet. Ernstliche Umweltbedenken kommen dem Minister keine über die Lippen, womit nach einigem Geziere eine Befürwortung des Transrapids durch die Brandenburger Landesregierung vorgezeichnet ist.
Für sein Wohlwollen hat der Minister natürlich auch ein paar Forderungen an die Magnetbahn parat. Zum einen müsse der künftige Großflughafen BBI angeschlossen werden, zum anderen müsse Brandenburg von den Millionenaufträgen bei Bau und Betrieb des Transrapids etwas haben. Konkret schwebt Meyer vor, Hennigsdorf als Standort für die Instandsetzung und Wartung des Transrapids zu gewinnen. Auf der Strecke sollen später knapp 20 Magnet-Züge eingesetzt werden. Arbeit für 150 bis 200 Instandhalter.
Die erste Brandenburger Forderung - die Flughafen-Anbindung - ist für die Magnetbahn unproblematisch. Diese rechnet selbst mit »additiven« Fahrgästen durch eine Flughafenanbindung wie auch durch gut plazierte Haltpunkte am Rande Berlins, in Schwerin und am Rande Hamburgs, wie Dr. Axel Gattung vom Vorstand der AEG Daimler Benz Industrie am Dienstag in Hennigsdorf erklärte. Die rund 14 Millionen Fahrgäste jährlich, auf denen das Transrapid-Finanzkonzept aufbaut, sind trotzdem eine sehr utopische Zahl. Das ist auch Gattung klar. Er hat deswegen auch eine neue Fahrgastkategorie ausgemacht: »Leute, die verkehren, um das Verkehrsmittel zu benutzen«, Transrapid for fun gewissermaßen.
Daß damit neue, umweltschädigende Mobilität induziert wird - man muß ja auch den Zubringer-Verkehr kalkulieren -, stört weder ihn noch den Verkehrsminister »Der Weg ist das Ziel« beim Transrapid, erklärte Gattung unumwunden. Immer mehr verfestigt sich der Eindruck, die Magnetbahn soll um ihrer selbst willen und natürlich um den Willen der Ausrüstungs- und Baukonzerne gebaut werden. Vor Jahresfrist dominierte noch die Argumentation, man müsse wegen der weltweiten Exportchancen eine Referenzstrecke im Inland bauen. Jetzt planen die Transrapidler - offensichtlich sind die Exportchancen doch nicht so rosig stärker im Inland weiter. Ortsnamen wie Dresden, Nürnberg und Stuttgart will der Verkehrsminister, wie er sagt, in diesem Zusammenhang gehört haben, ganz abgesehen von den Plänen, die Magnetbahn in großem Maßstab nach Osteuropa fahren zu lassen. Bislang werden die Personenströme in diesen Richtungen per Auto, Bahn oder Kurzstrecken-Flieger bewältigt. Man liegt wohl nicht falsch mit der Vermutung, daß sich das Transrapid-Konsortium über lang oder kurz von diesem Markt ein ordentliches Stück abschneiden will - zu Lasten vor allem wohl der Bahn und der Fluggesellschaften. Könnte sein, im Nachhinein erweist sich der Transrapid als staatlich subventionierte Verdrängungskonkurrenz, wobei der noch staatlichen Bahn die pikante Rolle zufällt, als Mitglied im Transrapid-Konsortium ihr eigener Totengräber zu sein. Den Bahnstandort Wittenberge - das dortige RAW hat sich auch um die Transrapid-Wartung bemüht - hat das Konsortium mit Meyers Hilfe schon mal erledigt. Meyer düpierte darüber hinaus seinen Amtskollegen Harald Ringstorff (SPD) in Schwerin, der die Wartung in der Mitte der Strecke ansiedeln will und sich über Meyers Auftritt entsetzt zeigte.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.