Ghanas Volta-Stausee – eine giftige Kloake
Eine Textilfabrik verseucht das Gewässer, während Bewohner auf Strom warten
Von GIDEON ZORYIKU
In den 60er Jahren sah die Welt in Mepe noch einigermaßen heil aus. Auf den Feldern entlang des Volta-Flusses wuchsen Maisstauden, Erdnüsse oder Maniokwurzeln, eines der Hauptnahrungsmittel der Menschen. Während die Kinder des Dorfes vergnügt im Fluß oder am Ufer spielten, widmeten sich die Erwachsenen dem Fischund Austernfang.
Heute traut sich kaum noch jemand, im Fluß zu baden, weil Chemikalien den Volta-See in eine giftige Kloake verwandelt haben: Unzählige tote Fischn treiben an der Oberfläche. Zudem klagen die Menschen häufig über Hautausschläge und Kopfschmerzen.
Mit ihrer Gesundheit bezahlen die Anrainer jetzt ironischerweise die „Entwicklung“, die der Anfang der 60er Jahre gebaute Volta-Stausee eigentlich bringen sollte. Bei dem prestigeträchtigen Projekt wurden damals rund vier Prozent der Fläche Ghanas überflutet - mit dem Versprechen, die Industrialisierung voranzutreiben und mehr als ein Drittel der Bevölkerung mit elektrischem Strom zu versor-
gen. Noch ist dieses Versprechen nicht eingelöst' Und ob dies vor der Jahrhundertwende geschieht, ist ^zumindest sehr fraglich.
Für Ghana ist nämlich Strom, der nach Togo und Benin exportiert wird, eine wichtige Devisenquelle. Außerdem geht derzeit rund 60 Prozent des im Wasserkraftwerk von
Akosombo (rund 900 MW Kapazität) erzeugten Stroms an die Aluminiumhütte VALCO in Tema, die vom US-Multi Kaiser Aluminium kontrolliert wird. Die dem Unternehmen schon unter Kwame Nkrumah gewährten Tarife waren skandalös niedrig. Erst in den 80er Jahren wurde neu verhandelt.
Aus Untersuchungen von Wissenschaftlern der biochemischen Fakultät der University of Ghana geht hervor, daß die Firma Akosombo Textiles Ltd. für die Hälfte der toten Fische verantwortlich ist. Die-Textilfabrik läßt giftige Chemikalien in den mehr als 8 500 Quadratkilometer großen See - eines der größten künstlichen Gewässer der Welt fließen. Hinzu kommen in der Landwirtschaft verwendete Düngemittel, von denen eine große Menge in den Fluß gespült wird.
Für Umweltschützer kommt das Ergebnis der zweijährigen Studie über die Wasserbeschaffenheit nahe einem Fischerdorf am Ufer des Volta^ Flusses wie gerufen. Sie kön-
nen nun mit Zahlen belegen, welch gravierende Fehler unter dem schönen Etikett „Entwicklung“ vor drei Jahrzehnten begonnen wurden. Beim Bau des ehrgeizigen Projekts waren 80 000 Menschen umgesiedelt worden. Viele von ihnen kehrten den Siedlungen, die ihnen die Regierung Nkrumahs zugewiesen hatte, nach kurzer Zeit den Rücken und siedelten wieder entlang dem See. An den fruchtbaren Ufern hatten sie zuvor nämlich Früchte und Gemüse angebaut; dort weideten auch ihre Tiere. Und den Speiseplan ergänzten Fische, die auch in einmündenden Bächen reichlich vorhanden waren. Angesichts des Ausmaßes der aktuellen Verunreinigung darf man befürchten, daß durch den Tod von Kleinstlebewesen und Flußkrebsen die gesamte Nahrungskette langsam, aber sicher zerstört wird. Mangels Müllverwertungsanlagen werfen die Anwohner zudem ihren Müll in den See und verschlimmern den Zustand.
Die Katastrophe ist deshalb besonders gravierend, weil das Gebiet als Teil des Volta-Bekkens zu den landschaftlich reizvollsten Regionen Ghanas gehört.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.