- Sport
- Warnemünder Sportakrobaten eine Macht / Ehemalige Aktive als Nachwuchstrainer
Drei von einst sind noch an Deck
Sie machten dereinst Furore: 95 Gold-, 119 Silber- und 87 Bronzemedaillen hatten sie bei DDR-Meisterschaften errungen. Trotzdem waren sie zu DTSB-Zeiten ein ungeliebtes Kind, weil nichtolympisch und daher wenig förderungswürdig. Die Rede ist von den Warnemünder Sportakrobaten. Ein Mauerblümchendasein spielten sie aber beileibe nicht.
Ganz im Gegenteil. Seit der Gründung der Abteilung Kunstkraftsport im Jahre 1958 bis in die Gegenwart mischten die Mädchen und Jungen von der BSG Motor Warnowwerft Warnemünde bei vielen Veranstaltungen kräftig mit. Und das hat sich bis heute - nun als SV Warnemünde und ohne „Sponsor“ Warnowwerft firmierend weitgehend erhalten. Jüngstes Beispiel sind die beiden Meistertitel, die die Akrobaten von den Meisterschaften im Oktober aus dem Baden-Württembergischen Wasseralfingen mit an die Warnow brachten. )
Ein Glücksfall für die Vereinsgeschichte war es sicherlich, daß aus der Sechsergruppe, die Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre Meisterwürden en gros erntete, noch heute drei Leute an Deck sind: Erwin und
Achim Gröhmann sowie Erich Paul. Nach wie vor widmen sich die drei mit Leidenschaft dem Nachwuchs. Jeden einzelnen „fischen“ sie von der Straße, denn von allein kommt kaum noch jemand zum Verein. „Wir sind mit unserem Sport verheiratet“, sagt Erwin Gröhmann dann auch unumwunden. „Gäbe es uns Alte nicht, würde es heute um den Breitensport düster aussehen.“
Die Sportakrobatik betrieben die Warnemünder Burschen seinerzeit mehr zum
Ausgleich, denn von Haus aus waren sie Ringer. Achim Gröhmann gehörte sogar der DDR-Auswahl an. Als einziger, der aus einer BSG und nicht aus einem Klub kam. Seinen möglichen Olympiastart durchkreuzte Bruder Edmund, der von einem internationalen Wettkampf nicht wieder nach Hause kam. Für Achim war damit der Olympiaauftritt in Rom passe.
Das alles erzählen die Grohmänner nicht ganz ohne Bitterkeit, aus dem Gleichgewicht hat sie das dennoch nie gebracht. Und was ihnen zu DDR-Zeiten versagt blieb, holten sie im Alter nach. Bei den Senioren-Welttitelkämpfen in Rom und Toronto 1992 und 1994 wurde Erwin Weltmeister, und Achim kam mit einem dritten Platz doch noch zu einer römischen Bronzemedaille.
„Leider“, so Erich Paul, „ist die Bereitschaft junger Leute, sich sportlich zu betätigen, heute nicht mehr stark aus-
geprägt. Kaum jemand ist bereit, sich für den Sport bis zur Erschöpfung zu quälen.“ Erich Paul weiß, wovon er redet. Der Tischler von der Warnowwerft erwarb in den 60er Jahren im Fernstudium das Trainerdiplom. Später war er Nationaltrainer der Sportakrobaten. Ehrenamtlich, versteht sich.
Trotzdem blieben Erich Paul und seine Freunde der Akrobatik fest verbunden. Ihrem Engagement ist es zu danken, wenn auch heute noch Warnemünder gute Namen in diesem Sport besitzt: Verena Sanftleben und Angelika Espinosa beispielsweise oder Doren Nagel, Silvana Allers und Carola Piechaczek.
Die frühere BSG ist auch sonst nach der Wende nicht untergegangen. Neben den Sportakrobaten blühen beim heutigen SV Warnemünde die Abteilungen Prellball, Turnen, Volleyball, Radwandern und ganz besonders der Seniorensport - mit immerhin zwölf Gruppen! JO SUND
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.