Der Kampf gegen Rechtsextremismus soll in Sachsen künftig auch mit Landesmitteln finanziert werden. Nichtstaatliche Initiativen reklamieren mindestens die Hälfte des Zwei-Millionen-Pakets für ihre Arbeit.
Vor einer Woche hat das Netzwerk für demokratische Kultur in Wurzen (NDK) einen Erfolg gefeiert. Rathaus und Gewerbetreibende der Stadt würdigten deutlich wie selten die Arbeit des Vereins, der sich gegen rechtsextreme Umtriebe engagiert. Auch vom Stadtrat gab es Rückhalt - sogar mit den Stimmen der CDU. Der Anlass war freilich erschreckend genug: Vor dem NDK-Büro waren zwei Sprengsätze explodiert.
Was im Kleinen gilt, stimmt wohl auch im Großen. Manchmal bedürfe es eines »plastischen Ergebnisses«, um auf bestimmte Entwicklungen hinzuweisen, sagt Antje Hermenau, bündnisgrüne Fraktionschefin in Sachsen, zum Wahlerfolg der NPD. Die Schockwellen des politischen Erdbebens bekommen auch Anti-Rechts-Projekte zu spüren - im Negativen wie mit dem Anschlag auf das NDK, ironischerweise aber auch positiv. Die finanziellen Aussichten der Initiativen haben sich erheblich verbessert.
Gesichert ist zum einen die bisherige Hauptgeldquelle der Projekte: das von der Bundesregierung für die Stärkung der Zivilgesellschaft im Osten aufgelegte Programm »Civitas«. Der Fördertopf, der ursprünglich im Jahr 2004 auf fünf Millionen Euro abgespeckt werden sollte, bleibt weiterhin mit neun Millionen gefüllt, sagt Hermenau. Darauf hätten sich Haushaltspolitiker in Berlin unter dem Eindruck der Wahlergebnisse in Sachsen und Brandenburg geeinigt.
Daneben hat sich auch die neue schwarz-rote Koalition auf ein Programm zur Stärkung von Toleranz und Weltoffenheit festgelegt. Während die alte CDU-Regierung die finanzielle Unterstützung von nichtstaatlichen Demokratie-Projekten verweigerte, stehen nun zwei Millionen Euro zur Verfügung »Demokratische Bildungsarbeit«, begründet Martin Dulig, SPD-Landtagsabgeordneter und Mitbegründer eines Anti-Rechts-Netzwerks, »muss eine dauerhafte Aufgabe werden.«
An der Basis wird die Entwicklung aufmerksam, aber ohne voreilige Euphorie verfolgt. »Wir müssen abwarten, wie das Programm umgesetzt wird«, sagt Stefan Schönfelder vom »Netzwerk für Toleranz«, einer Vereinigung von 60 Initiativen, Vereinen und Projekten, bei dessen Jahrestagung am Wochenende in Wurzen. So ist offen, wie das Geld zwischen staatlichen Einrichtungen, etwa der Landeszentrale für politische Bildung, und lokalen Initiativen verteilt wird. Diese erhöben Anspruch auf »mindestens die Hälfte der Mittel«, sagt Schönfelder. In einem schon vor der Wahl erarbeiteten Papier wird der Finanzbedarf zum Erhalt der jetzigen Strukturen auf 1,5 Millionen Euro beziffert.
Bisher litt die Arbeit der Initiativen indes nicht nur unter schlechter Finanzausstattung, sondern auch unter mangelnder Akzeptanz etwa in Schulämtern oder Rathäusern. Zwar engagieren sich die Vereine mit rund 1500 ehrenamtlichen Mitstreitern enorm. Für das Jahr 2003 bilanziert das Netzwerk rund 4000 Vorträge, Projekttage und Weiterbildungen mit 35000 Teilnehmern - »irre Zahlen«, sagt Schönfelder, der nun eine wirksamere Zusammenarbeit der Initiativen und übergreifende Qualitätskriterien für die Angebote für nötig hält.
Während aber Thomas Platz von der Landeszentrale für politische Bildung glaubt, die Initiativen würden bereits jetzt bei Behörden »mit offenen Armen empfangen«, weil sie »Kompetenz haben, die staatlichen Stellen fehlt«, ist der Eindruck bei den Vereinen ein gänzlich anderer. Nicht nur beim »Netzwerk Döbeln« hält sich hartnäckig die Einschätzung, dass die eigene Arbeit im Landratsamt bestenfalls ignoriert wird.
Um so größer ist die Genugtuung, wenn - wie im Fall des NDK Wurzen - Rathaus und Wirtschaft endlich den lang ersehnten Respekt zollen. Die Anerkennung hat freilich auch Schattenseiten. Während vor einer Woche der Schulterschluss in der Mitte der Gesellschaft stattfand, wollte auch die autonome Antifa ihre Unterstützung bekunden. Am Bahnhof indes war Schluss: Eine »spontane Demonstration mit vielen auswärtigen Teilnehmern« sei, wie das NDK formuliert, als »eher kontraproduktiv« angesehen worden. Jetzt kursiert auf beiden Seiten der Vorwurf der »Entsolidarisierung« - ein unschöner »Kollateralschaden« der beiden Sprengsätze.
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