- Politik
- Norbert Schultzes »Schwarzer Peter« im Metropol-Theater
Oper für Kinder
Oper im Metropol-Theater. Norbert Schultzes Kinderstück »Schwarzer Peter« wurde aus der Versenkung hervorgeholt. Der mittlerweile 85jährige Komponist hatte damit als 25jähriger seinen Durchbruch erzielt. Walter Lieck, Kabarettist und Schauspieler, schrieb das Libretto. Doch während letzterer 1944 an Leukämie als Spätfolge einer KZ-Internierung in Esterwege starb, avancierte Schultze zu einem willfährigen Lieferanten von Nazi-Kriegsliedern. Da waren die »Bomben auf Engeland«, das »Lied von der Panzergruppe Kleist«, »Vorwärts nach Osten« mit den unsäglichen Textzeilen: »Führer, befiehl, wir folgen dir«.
Doch 1938 hatte Schultze mit »Lili Marleen« noch unverhofft einen Erfolgstitel besonderer Art gelandet. Das Lied wurde später auf beiden Seiten der Weltkriegsfront, von Laie Andersen ebenso wie von Marlene Dietrich und in insgesamt über 35 Sprachen gesungen.
In jungen Jahren, nach dem Kölner Studium, verdiente Schultze auch als Kabarettist seine Brötchen und schlug sich als Telefunken-Tonmeister durch. Der »Schwarze Peter«-Erfolg änderte vieles. Der Hamburger Uraufführung folgten Inszenierungen an rund 100 deutschen Bühnen und in Rom. Selbst Lieck konnte weiter schreiben, z.B. einen Film mit Joachim Gottschalk, und sogar spielen, zuletzt in Erich Kästners »Münchhausen«-Film.
»Schwarzer Peter« und »Vorwärts nach Osten« sind zweierlei, wenngleich ersterer offenbar Ausgangspunkt der Karriere war: Goebbels liebte einfache, leicht singbare Melodien. Und es war ja auch schon ein Marsch drin: »Wir wandern, einer nach dem andern«. Der Zufall wollte es, daß die weibliche Protagonistin Erika heißt - freilich wie in dem zugrundeliegenden niederdeutschen Märchen aus der Feder des Flensburger Kohlearbeiters Heinrich Traulsen. Der ließ zwei ständig Schwarzer Peter spielende Könige sich verfeinden, bloß weil König Klaus' Frau statt eines Thronfolgers ein Mädchen bekam.
In dem Text der Oper wird, wenn auch kindertümelnd,
Partei für den Fleiß des Volkes genommen. Die Autoren rügen Faulheit, Bequemlichkeit und raschen Zorn der Herrschenden, preisen Frieden statt Zwietracht. Die Musiksprache ist nicht gerade avantgardistisch. Aber sie ist von enormen melodischem Erfindungsreichtum und für die Jüngsten verständlich.
Nachdem die beiden Könige sich bis zur kriegerischen Auseinandersetzung verzankt haben, gibt es in der zweiten Generation Versöhnung. Erika will nur einen Besenbinder heiraten, der, wie sich herausstellt, ein Prinz ist. Was bringt er ihr als Strauß? Erika... Und er sticht damit vier »blaublütige« Freier aus, die Regisseur Joachim Franke hier launig als Prinz Charles, Michael Jackson, als Ölscheich und (mit Ferrari) Schumi erscheinen läßt. Er setzt im Bunde mit den Ausstattern Thomas Gabriel und Andrea Kleber auf Bilderbuch-Buntheit und naive Erzählweise mit recht drastischem Akzent - und viel Theaterdonner.
Das musikalische Niveau ist hoch. Vladimir Kiradijev hat das Geschehen am Dirigentenpult sicher in der Hand. An der Spitze des insgesamt gut aufgelegten Ensembles singen und agieren Hans-Jürgen Wiese und Michael Baba als die beiden Könige, Nora Kaminiczny und Peter Renz als prinzliches Liebespaar und Frank Matthias als Spielmann. Mit von der Partie: die Schöneberger Sängerknaben.
Die Selbstdarstellung
Schultzes im Programmheft ist, seine Vergangenheit betreffend, wohl doch zu verharmlosend: nach 1936 habe er u.a. »auch Lieder geschrieben..., für die er selbst den Schwarzen Peter verdient, weil er damals nicht darüber nachgedacht hat, wem er mit solchen Marschliedern diente«.
Nach 1945 durfte der Kommponist sich drei Jahre nicht in seinem Beruf betätigen. Später schrieb er dann u.a. die Filmmusik für »Das Mädchen Rosemarie«.
»Schwarzer Peter« ist das populäre Pendant zu Humperdincks »Hansel und Gretel«. Er dürfte hier viele ausverkaufte Familienvorstellungen bringen. Immerhin haben manche großen Sänger die Partien gestaltet: Peter Anders und Rudolf Schock, später Anneliese Rothenberger, Hermann Prey und Martha Mödl.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.