Arbeitslose sind nicht kämpferisch
Eigentlich hätten zur Protestveranstaltung der Arbeitslosen am 10. Juni in Suhl Tausende von Menschen erscheinen müssen. Sie kamen nicht.
Arbeitslosigkeit macht nicht kämpferisch. Bei uns bedeutet sie Entlassung in die Aussichtslosigkeit, in sozialen Abstieg, Entmündigung und Ausgrenzung. Die Arbeitslosen sind die Schreckgespenster für die, die noch Arbeit haben. Also werden sie gemieden oder einfach übersehen. Das verstärkt deren Verbitterung und Resignation. Die Tragik dabei ist, daß Arbeitslose sich nicht zusammenschließen, statt dessen zu Einzel-Überlebenskämpfern werden. Arbeitslosigkeit wird damit als privates Pech individualisiert und gesellschaftlich i abgewertet. Das sind dann die Faulen, die nicht arbeiten wollen, die nicht wendig genug sind und die an ihren Orten »kleben«. Mit solchen Stempeln versehen ziehen sich Arbeitslose erst recht aus dem öffentlichen Leben zurück, verlieren ihr Selbstbewußtsein und verzweifeln oft an ihrer Situation. Dabei können sie etwas, haben genauso Fähigkeiten und gute Ausbildungen wie die »Noch-Arbeitenden«. Sie sind nur Opfer von Wirtschafts- und Sparzwängen geworden. Die menschlichsozialen Auswirkungen spielen dabei kaum eine Rolle.
Wenn wir nicht beginnen, Arbeit umzuverteilen und Gegenkonzepte zu entwickeln, die den Menschen und die geschundene Natur im Blick haben, werden wir an unseren überflüssigen Waren, dem vielen Müll, den sozialen Spannungen und der menschlichen Kälte zugrunde gehen. Wollen wir das wirklich?
Elisabeth Pfestorf selbst arbeitslos, Suhl
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